Spread your wings…
…and let me come inside», summt Sir Rod Stewart in meinem Kopf, als ich auf mein heutiges Testgefährt zusteuere. Ein McLaren GT mit Flügeltüren, die empfangsbereit weit offen stehen, in Serpentine. Tiefdunkles british Racinggrün für mein Farbempfinden, aber super spezielle Autos bekommen auch super spezielle Farbnamen verpasst. Serpentine ist eine Bezeichnung für eine Gruppe von Silikaten, mineralische Steine, die alle irgendwie grün sind und sich slippery anfühlen, verrät mir geology.com. Okay, slippery fühlt sich der McLaren GT nicht an, eher glatt, kühl und doch erwartungsvoll. Ich durfte schon das eine oder andere McLaren-Modell pilotieren, einen 570 GT zuerst, vier Jahre ist es her, und es hat irrsinnig viel Spass gemacht, trotz Regen, der Fluch einer britischen Automarke vielleicht, die haben das Nass im Kofferraum. Im letzten Sommer bekam ich dann den 720S Spider, ein Cabriolet (genau, es regnete die drei Tage non stop, da braucht kein Mensch 720 PS, sowieso nicht übrigens…) ausgeliehen. Dieses Mal ist alles anders, es ist warm, der Himmel fröhlich, die – wie bei Testfahrten üblich – vorgegebene Strecke verspricht lange schnelle Geraden und weiche Kurven im Wechsel. Today’s the day, ich schwinge mich so elegant wie möglich – nein, niemals mit einem Minirock in einen McLaren steigen, das verschafft ungewollte tiefe Einblicke! – unter den wartenden Blicken der McLaren-Techniker in den verdammt dicht über dem Strassenbelag liegenden Sitz und lasse mir nach einer gründlichen Bedienungserklärung die Türen zuklappen, in dem Segment macht man sowas Profanes so selten wie möglich selbst.
To know it is to love it
Kleiner Exkurs: McLaren Automotive mit Sitz in Woking in einem gigantischen futuristischen Technologiezentrum baut seit 1993 Strassenwagen. Ultraschnelle Super Sportwagen. Für eine Klientel, die bereit ist, bis zu siebenstellige Summen für so ein Gefährt auszugeben. Darf man das heute noch? Solche Autos fahren? Mit Vernunft hat das rein gar nichts zu tun. Es ist ungefähr so, wie wenn man als Fashionista gebeten wird, eine Saison lang Chanel oder Gucci oder Prada zu tragen. Man kann auch ohne, es ist Luxus, es ist unnötig. Aber es sind Legenden, die hinter den Namen stecken und man will – ich will – auf die Erfahrung nicht verzichten. Amanda McLaren heisst die Tochter des Firmengründers der Marke McLaren, Bruce McLaren, sie ist Ambassadorin der Marke. Amanda war vier Jahre alt, als ihr Vater 1970 bei einer Testfahrt in einem von ihm selbst gebauten Rennwagen auf dem Racetrack in Goodwood UK tödlich verunglückte. Man muss, glaube ich, kein Racingfan sein, um zu verstehen, dass der Name McLaren (nicht der Hersteller der Kinderwagen, die schreiben sich Maclaren) schon deshalb ganz viel Mythos, ganz viel Romantik und ganz viel englische Racing-Tradition beinhaltet (obwohl Bruce McLaren in Neuseeland geboren wurde, er gründete aber 1963 sein Racingteam in Feltham bei London). Bruce McLaren wollte immer auch Strassenautos bauen, das schnellste der Welt am liebsten. Kurz vor seinem Tod beschäftigte er sich noch mit einem Prototyp, dem M6GT, der den heutigen GTs und Spiders und überhaupt der gesamten Range schon ziemlich nahekam. Innovation treibe die Marke an, sagt Amanda McLaren; und ich sage: #womensupportingwomen. Also nichts wie vom Hof mit dem McLaren GT in Serpentine.
Carcatwalk
Es ist ein bisschen wie Schaulaufen. Selbst in der Luxus verwöhnten Region Genf, wo diese Testfahrt stattfindet, drehen sich die Menschen nach dem Auto um. Man kann ihn laut stellen per Knopfdruck, aber das finde ich zu aufsässig. Lieber im Understatement durch die Gegend gleiten, dabei helfen Reifen, die geräuscharm sind. GT steht für Grand Tourisme und bezeichnete in der Geschichte des Automobilbaus ursprünglich mal die Ausrichtung, Sportwagen auch für längere Fahrten bequem und komfortabel zu konzipieren. Um es kurz zu machen: Mit diesem GT ist genau das McLaren gelungen. Seine älteren Brüder hatten nicht mal Platz für ein Modemagazin, mein heutiger Reisebegleiter würde sogar zwei ganze Golfbags fassen. Stolze 420 Liter Gepäckraum kommen hinten und in Harrass grosser Form vorne unter der Haube zusammen. Das reicht.
Wellbeing
Waren die Modelle vorher auf brutale Sporterfahrung ausgerichtet, ist hier Komfort angesagt. Ich bin etwa vier Stunden unterwegs, gewöhne mich von Minute zu Minute mehr an die Fahrzeugtechnik, die denkbar simpel in der Bedienung ist. Zwei Knöpfe in der Mittelkonsole, mit denen man am Fahrwerk schrauben kann, aber die Grundeinstellung ist völlig okay. Das Auto hat wenig Spielzeug, sehr entspannend, keine überflüssigen Gadgets, ein kleines Display mit sinnstiftenden Digitalanzeigen im Cockpit, gerade genug, um nicht überfordert zu werden. Ich liebe die edle Lederausstattung, etwas, was spürbar Luxus bedeutet. Und ich finde, wenn ich mich so umschaue im McLaren GT: Du bist für Frauenhände gemacht. Aber so richtig. Griffig, handelbar, folgst direkt jedem Input, den man gibt, bist nicht widerspenstig, liegst gut in der Hand, bleibst auch in kritischen Situationen ruhig und gibst mir ein sehr angenehmes Gefühl, die ganze Zeit. Ich vermeide Stops, fahre an Fotopoints vorbei, weil es schöner ist, zu fahren, als zu stoppen. Und, ganz ehrlich: Ich will mich nicht zu oft aus dieser Position stemmen müssen.
Ein Richtiger
Nur ungern gebe ich den McLaren GT zurück. Das wäre einer für die Wunschliste, wenn man das nötige Kleingeld hat (er schlägt mit einem Grundpreis von über 220 000 Franken zu Buche, da muss man gar nicht erst überlegen…). Auf dem Rückweg, wieder in meinem eigenen Volvo, treffe ich ein Trio (männlicher) Kollegen auf einer Raststätte, die zwei McLaren zum nächsten Fahranlass transferieren dürfen. Sie geben sich supercool, stehen in der Sonne und schwadronieren über den martialischen Sportwagen, so ein richtiger Kerl sei er. Ich stimme zu: Genau der Richtige für Frauen. Steige lächelnd in meine Familienkutsche und lasse drei perplex dreinschauende Fragezeichen zurück.
cars.mclaren.com
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