On the road

Warum ich meinen Alten liebe

Ich bin eine treue Seele. Habe ich mich einmal für etwas entschieden, bleibe ich dabei. Und hänge mein Herz dran, engagiere mich, lebe mit Begeisterung diese Liebe. Nichts kann meinen Blick auf das Objekt meiner Begierde und meiner Erfüllung trüben. Macken schrecken mich nicht ab, sie machen ihn eher noch liebenswerter. Häufige Nutzung bringt Beulen, Dellen und Kratzer mit sich, auch das ist einkalkuliert, wer will schon ein aalglattes Äusseres.

Aussetzer und Defizite

Meiner begleitet mich jetzt schon seit einigen Jahren. Ich hab ihn damals gesucht und gefunden, er war nicht der Einzige, der sich anbot, es gab eigentlich eine ziemlich grosse Auswahl. Aber es stimmte alles an ihm, er hatte die perfekte Grösse, ich fühlte mich sofort angekommen und war von der Zuverlässigkeit, die man ihm nachsagte, grenzenlos überzeugt. Okay, im Laufe der Zeit gab es dann Vorfälle, die andere vielleicht zum Aufgeben gebracht hätten. Angefangen mit Alterserscheinungen, Aussetzern und unerklärlichen Defiziten und Materialschwächen. Aber he, er war gebraucht und was weiss man schon von dem Vorleben des anderen. Auch als eine Operation am offenen Herzen anstand, von der ich eine sorgenvolle Woche lang nicht wusste, ob sie gelingen würde, war ich nicht bereit, ihm den Todesstoss zu versetzen.

Nicht hängen lassen

So viel habe ich mit ihm erlebt. Ihm so viele Geheimnisse anvertraut. Ich rede mit ihm, tatsächlich, sage jedes Mal Danke, wenn er mich befriedigt und seinen Job erledigt hat. Das ist irre? Nein, das ist Seelenpflege. Jeder hat eine Seele, er auch. Er hat meine Kinder sicher begleitet, hat durchgehalten, wenn der Weg unendlich lang vorkam und war mir immer Schutz und Sicherheit, wenn es draussen mal stürmt und schneit. Er ist so herrlich kräftig gebaut, kommt nicht willentlich vom Kurs ab und ist ein Beispiel an stoischer Spurhaltung. In der letzten Zeit häuften sich die Aussetzer, ich musste oft auf ihn verzichten, damit man der Ursache auf den Grund gehen konnte. Und jedes Mal musste ich mir von meinem Umfeld anhören, dass es jetzt endlich genug sei, dass ich ihn aufgeben sollte und wieviel ich denn noch investieren wolle. Aber ich lasse niemanden hängen, der mir so viel bedeutet und mir so viel Geborgenheit in auch meinen miesesten Stunden gegeben hat. Und der klaglos meinem lauten Mitsingen der gesamten Popkultur der 1970er- und 1980er-Jahre zuhört. Ich meine, dass muss man erst mal leisten!

Trennung unmöglich

Wie dem auch sei: Ich geb ihn noch nicht auf, noch lange nicht. Erst wenn seine Beine den Dienst versagen, wenn sein Herz aufhört zu schlagen, wenn er nur noch Schutt und Asche ist, dann trenne ich mich – vielleicht – von meinem 12 Jahre alten Volvo XC 70 D5 AWD.

 

volvocars.com/de-ch

Meine persönliche Freiheit ist untrennbar mit Autos verbunden. Worden, geblieben, und intensiviert. Ich komme aus Lübeck, habe die Tür zur schreibenden Zunft bei Auto Bild in Hamburg geöffnet bekommen und seit da nie mehr aufgehört, mich mit dem Thema Auto/Mobilität zu befassen. High Tech und tiefgehende Fachartikel kann ich nicht, das vermögen diverse arrivierte Kolleginnen und Kollegen der Fachpresse viel besser. Ich kann Emotionen, Leidenschaft, erlaube mir, ganz authentisch über Mensch und Maschine zu schreiben. Und manchmal, manchmal ist das Thema so richtig sexy, ich erlebe Dinge, die unter die Haut gehen, oder zu Hau(p)tsachen werden. Als Freelance Journalistin schreibe ich seit 1997 in der Schweiz für ganz unterschiedliche Magazine. Ein sehr breites Portfolio darf ich inzwischen bespielen, ein unfassbares Glück.

Christian sagt:

Lustig – soeben hat sich bei meinem XC70 auch das blaue Lenkradlogo verabschiedet. Solange das die einzigen Makel bleiben…

Dörte Welti sagt:

Leider nein….

Stephan sagt:

Liebe Dörte
Wunderbar geschrieben! Ich kann das nachfühlen. Als wir unseren Vectra Caravan (a.k.a. „Stübli“ gehen lassen mussten, war ich traurig, & ich mag mir gar nicht vorstellen, wie es sein wird, wenn mal unser „Pfüdi from hell“ (Fiat 500) an der Reihe ist… Am meisten hänge ich allerdings an meiner „White Lady“ (Honda VFR750, Jahrgang 1990)… <3

Dörte Welti sagt:

Lieber Stephan,

interessant zu erfahren, dass hier schon zwei Männer zugeben, für motorisierte Dinge Emotionen zu entwickeln, man sagt das sonst nur Frauen nach. Kleiner Tipp: Lass die White Lady nicht allzu weit aus Deinem Blickfeld verschwinden, vielleicht kann man sie ja ins Wohnzimmer stellen? Oder Du hast Kinder, die mal Spass an dem schweren Gerät haben könnten? Ein Motorrad über Jahre zu behalten ist jedenfalls leichter, als ein Auto. Viel Glück!

Stephan sagt:

Liebe Dörte
Du kennst unsere Jungs bzw. unsere Familie…
Ich glaube kaum, dass die Jungs mal meine White Lady übernehmen wollen; zumal ich vorhabe, sie zu fahren, bis sie mir entweder unterndem A.sch zerfällt oder ich nicht mehr draufklettern kann — wobei ich davon ausgehe, dass Letzteres zuerst der Fall sein wird…
Herzliche Grüsse!

Nio sagt:

Liebe Frau Welti
Wer kennt das nicht mit Vehicle, die einem ans Herz gewachsen sind? Ob Fahrzeug, Flugzeug , Boot oder sonst einem Gegenstand, es sind immer Emotionen im Spiel, die einem die Trennung verunmöglichen. Bei mir war die Trennung meistens aus Platzgründen programmiert. Schweren Herzens diktierte dann dieser Umstand eine Trennungshandlung!

Dörte Welti sagt:

Lieber Nio, Sie treffen es genau, es sind grosse und manchmal auch nicht erklärbare Emotionen bei einer Trennung von jedwedem Gegenstand im Spiel. Ich musste mich schon einmal sehr schweren Herzens von einem Gefährt trennen, das mehr war als nur das, es war auch GefährtE. Damals war Geld das Hauptargument. Später, als ich es mir hätte leisten können, habe ich mich auf die Suche gemacht, aber die Spuren verliefen sich im Nirgendwo, ich konnte ihn nicht mehr auftreiben. Sie ermutigen mich gerade, auch die Story mal aufzuschreiben, wer weiss, vielleicht existiert das Auto ja auf wundersame Weise noch und wartet irgendwo darauf, dass ich es wiederfinde! Never give up…

Kathrin sagt:

Liebe Dörte, das verstehe ich nur ZU gut! Was wurde ich ausgelacht, als ich 2017 auf Insta einen „R.I.P Family Van“-Post erstellt hatte! Aber ich stehe dazu: Es war richtig traurig, ihn gehen zu lassen… obwohl ich zugebe, dass ich wohl schneller aufgegeben habe als Du: bei einem KV von über 7000.- (ohne Garantie…) haben wir es aufgegeben 😠.
Viel Spass noch!

Dörte Welti sagt:

Danke, Kathrin, das tut richtig gut, dass Du das nachfühlen kannst!

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