Ferien ohne Ende

Trick 1 beginnt noch vor den Ferien – mit der Planung. Ich weiss nicht, wie das bei Ihnen ist, aber bei mir dauert die erste Ferienhälfte gefühlt fünfmal so lange wie die zweite. So ab Hälfte Urlaub denke ich immer öfter ans Büro, und je weniger Ferientage bleiben, umso schneller fliegen sie vorbei. Deshalb versuche ich, Ausflüge, Museen, die ganze Action eben, in der ersten Hälfte unterzubringen und in der zweiten zu chillen – und zwar bis hin zur Langeweile. Ich gehe bewusst bekannte Wege nochmals, um mir das Gefühl zu geben, mit der fremden Welt vertraut und darum bestimmt bald bereit zu sein für die Rückkehr.

Auf dieser Basis kommt Trick 2 zur Anwendung: Das Haar in der Suppe finden. Darin sind wir Schweizer Weltmeister. Ein Ferienort kann noch so perfekt sein (was wir auf Instagram und Facebook nicht genug erwähnen können), trotzdem erwischen wir den langsamsten Kellner, einen überteuerten Liegestuhl, zu heisse/kalte Temperaturen, zu strenge Sitten, zu anstrengende Mitstreiter am Buffet. Wenn man in der zweiten Ferienhälfte wenig zu tun hat, kann man sich genüsslich über all das aufregen und sich auf daheim freuen, wo alles wieder so ist, wie wir es kennen (obwohl wir uns auch hier aufregen – aber immerhin in bekannten Parametern).

Trick 3 ist für jene, die ein derart sonniges Gemüt haben, dass sie sich über nichts in der Welt aufregen und jeden Serviettenhalter spannend finden. Also für Leute wie mich, haha. Nein, im Ernst: Als Reisejournalist kommt man immer wieder an märchenhafte Orte, wo einem das pure Glück aufgetischt wird. Sich da künstlich aufzuregen, wäre überheblich. Aber es gibt Dinge, die fühlen sich im schönsten Hotel nicht so gut an wie daheim. Bei mir zum Beispiel mein Bett. Die Lichtstimmungen am Morgen. Der Geruch nach Heimat. Der Garten, der sich unter meiner Hand verklärt. Daran (und vor allem an mein Bett) denke ich, wenn ich in einem Märchenhotel das Gefühl habe, nie mehr weg zu wollen.

Trick 4 ist mir heilig, erst mit ihm konnte ich meine Endferiendepressionen überwinden: Nicht auf den letzten Drücker heimfliegen! So verlockend das Ausreizen persönlicher Freizeit ist: Die Frontalkollision mit dem Alltag ist unvermeidlich. Ich kehre jeweils mittwochs oder donnerstags zurück – und habe daheim Gelegenheit, a) das Flipfloptempo weiterzuziehen, b) der Seele so viel Zeit für die Reise zuzugestehen, dass sie die erlangte Gelassenheit überhaupt erst konservieren kann und c) der Schadenfreude freien Lauf zu lassen, weil andere bei der Arbeit zu wissen, von zuhause aus noch schöner ist als am Strand.

Bislang ging es vor allem darum, wieder heim zu finden, ohne vor der Haustür loszuheulen, weil die Auszeit vorbei und der nächste Urlaub unendliche Weiten weit weg scheint. Das war also die Vorbereitung auf das, was jetzt kommt. Wir nähern uns der Königsdisziplin – der inneren Verlängerung des Feriengefühls durch aktive Verarbeitung. Zum Beispiel:

Trick 5: Persönlichen Reiseführer erstellen mit Notizen, Skizzen, Visitenkärtchen lohnenswerter Kneipen, Do’s und Don’ts; man weiss ja nie, vielleicht fragt mal jemand.

Trick 6: Einen Roman aus der Ferienregion lesen und quasi als Insider geistig nochmals hinreisen.

Trick 7: Unter den viel zu vielen Fotos (eigene Füsse vor Meer, exotische Drinks, Sonnenuntergänge) die besten raussuchen und ein Fotobuch erstellen.

Trick 8: Zu Musik aus dem Ferienland ein typisches Gericht kochen, Freunde einladen und ihnen Fotobuch und persönlichen Reiseführer aufzwingen.

 

Und dann gibt es noch diesen Film, der seit 50 Jahren gegen Fernweh hilft. Er ist so zeitlos, stilvoll und sommerlich, dass ihm selbst der heute langatmig empfundene Schnitt nichts anhaben kann, im Gegenteil. Trick 9: «The Endless Summer», das Film gewordene Urgefühl von Surfen, Sonne und Sommersinnlichkeit, ein Trancezustand ohne Drogen, Biobalance fürs Herz!

Sollte all dies nichts nützen, brauchen Sie’s auf die harte Tour. Ein Abenteuer muss her, damit Sie sich auch im langweiligen Alltag lebendig fühlen, frei, ein bisschen wie Indiana Jones halt. Trick 10: Übernachten Sie im Schlafsack auf der Dachterrasse, trotzen Sie Spinnen, Käfern und anderen Monstern und lassen Sie sich kurz vor Sonnenaufgang vom Vogelgezwitscher wecken. Die Magie des Aussergewöhnlichen ist es letztlich, die ein Feriengefühl prägt. Und dieses kann man überall haben. Man muss sich nur durchringen, ab und zu die Trampelpfade des Alltags zu verlassen.