Die Liebe in Zeiten von COVID-19

Der Lockdown war das Beste, was uns in dieser Verliebtheit passieren konnte!

Die Liebe in Zeiten von COVID-19

Ihr kennt sie, die am meisten gestellte Frage der vergangenen zwei Monate: Und, wie geht es dir so in dieser Situation? Meine jeweilige Antwort bis zum heutigen Tag: Geschäftlich ist es eine Katastrophe, aber privat bin ich gerade sehr, sehr glücklich.

Ich war und bin verliebt. Bestimmt hätten mich die Herausforderungen, die COVID-19 mit sich brachte, viel mehr belastet, wäre da nicht das Dopamin, das mich durch den Lockdown trug. Zwei Tage vor dem COVID-19 Lockdown zogen wir ganz spontan und kurzfristig zusammen. Kennen tun wir uns nämlich erst seit 1.5 Jahren. Und ich hatte kurz davor immer noch behauptet, dass ich nie mehr mit jemandem zusammenziehen wollte.

Davor sahen wir uns einmal pro Wochen abends und jedes zweite Wochenende. Nun war es 24/7 und dies so plötzlich und acht Wochen lang, und es war herrlich. Dabei gab es durchaus auch Spannungen. Wenn sich zum Beispiel unsere Kinder, die ja nicht wie wir kontinuierlich Glückshormone ausschütteten, in einer neuen Patchwork Situation zurechtfinden mussten. Oder während der Stress-Momenten, wenn parallel Home Schooling und Home Office die doppelte Aufmerksamkeit von uns verlangten. Meine Situation als Kultur-Unternehmerin während einem kompletten Kultur-Lockdown gab mir Existenzängste, wie ich sie nur am Anfang meiner Karriere, vor 21 Jahren, erlebt habe. Dazu kam, dass wir zwei Haushalte in einen zusammenlegen mussten, ohne vorher ausgemistet zu haben. Wir mussten also beim Auspacken herausfinden, was wem wieviel bedeutet, was wem nicht gefällt oder auf was man getrost verzichten kann. Alles in allem ziemlich viele Herausforderungen und potentielle Konfliktmomente. Aber nichts konnte uns wirklich aus der Ruhe bringen.

Was genau macht die Verliebtheit mit einer 47-Jährigen? Ich wurde zum alternden Teenager!
Allerdings genoss ich den Moment intensiver. Ich war transparenter als früher und kommunizierte bewusster. Ich kann heute zu meinen Schwächen stehen. Verändern möchte ich auch niemanden mehr, nur inspirieren. Das Leben hat einen so geformet, wie man heute, mit knapp 50 ist; die Narben sind da, einige geheilt, andere nicht. Der Rucksack ist voll schöner und belastenden Erinnerungen. Und das ist gut so. Die Verliebtheit ist also doch eine andere, also damals mit 19. Sie ist reflektierter, einfühlsamer, ehrlicher.

Schönreden muss ich mir auch nichts mehr – ob diese Beziehung nun ewig hält oder für eine bestimmte Lebensphase richtig ist, werden wir sehen. Es ist eine Befreiung der rosaroten Brille. Oder fast, denn sie rutscht mir schon auch ab und zu wieder auf die Nase  – dann aber geniesse ich das rosa Licht bewusst. Ansonsten habe ich sie gegen eine Sonnenbrille getauscht, bei der die Farben intensiver sind, ich nicht geblendet werde und somit alles klarer sehe und besser in die Ferne blicken kann. Die Sicht ist somit realer, weniger verzerrt, weniger blurry.

Ich bin zwar immer noch die gleiche Romantikerin, die ich auch früher war. Nur hat mich das Leben auch schon gezeichnet und des Besseren belehrt. Ich glaubte schon einmal an die Liebe des Lebens, mit der ich dann 25 Jahre verheiratet war. Aber ich habe auch gelernt, dass alles im Leben, sogar die Liebe, oft durch ein Ablaufdatum, nicht ewig hält. Für diejenigen, die weiser sind und sowieso nicht an die Romantik der Gefühle glauben, sondern sich lieber an die Wissenschaft halten, bestätigt die Forschung, dass Liebe und Sucht sich sehr ähneln. Man sagt nicht umsonst «im Liebesrausch». Beide Situationen stossen dieselben Glückshormone aus, nämlich Dopamin. Dopamin ist ein körpereigener Glücklichmacher und hat mit dem zentralen Nervensystem zu tun. Das heisst konkret, dass Liebe keine Herzens- sondern eine Gehirnangelegenheit ist.

Ich bleibe da gerne trotzdem beim Mythos Herz und blende die Wissenschaft aus. In der Realität bedeutet es für mich nämlich, dass die COVID-19 Wochen zu den innigsten Momenten meines Lebens gehören. Und das zählt.

So, und jetzt mache ich etwas, zu dem ich mich gerade inspiriert habe beim Schreiben – nämlich lesen! Und da ich immer mehrere Bücher gleichzeitig lese, nehme ich erneut «Die Liebe in den Zeiten der Cholera» von Gabriel Garcia Marquez‘s aber auch das Sachbuch «Der Konsum der Romantik» von Eva Illouz aus dem Bücherregal, setze mich bequem in einen Sessel unseres gemeinsamen Wohnzimmers und tauche auch literarisch in die Welt der Liebe ein.

 

© Art by Beni Bischof

In einem 200 Seelen Dorf im Berner Oberland aufgewachsen, zog es mich immer schon in die weite Welt hinaus. Gearbeitet habe ich dann 21 Monate in New Delhi, einige Monate in Wien, Stuttgart und Genf, war on and off immer wieder in der Schweizer Hauptstadt zuhause und weilte auch länger in Texas und Paris. Dass ich nun aber doch schon fast die Hälfte meines Lebens in Zürich verbringe, hätte ich als junges Mädchen nie für möglich gehalten, denn ich fand Zürcher insgesamt zu arrogant und gleichzeitig zu provinziell. In Zürich aber habe ich mich selbständig gemacht, gründete die unterschiedlichsten Firmen, konnte meine Leidenschaft zum Beruf machen, wurde Mutter, war einmal im Scheidungsgericht und mehrmals im Fernsehen. Ich habe Fails initiiert und Erfolgreiches, gab als Nicht-Akademikerin Unterricht an Fachhochschulen und bin mittlerweile Profi im Umziehen, denn ich tat dies ganze 12mal (privat und geschäftlich) in dieser Stadt. Ich bin eine Optimistin und mag es nicht, wenn Menschen nörgeln und nichts dagegen tun. Mit Literatur und der ironischen Namensgebung «swissandfamous» hat mein unabhängiges Unternehmertum angefangen. Danach folgte die Crowd-Realität mit wemakeit und emotional Storytelling mit letsmuseeum. Dazwischen gab es noch so einiges das ich angepackt, initiert und umgesetzt habe. Mal erfolgreich, mal weniger. Ich bin gespannt, was noch so alles auf mich wartet. Ich bin ja erst 48, da steht einem die Welt noch offen, oder? Das sagen jedenfalls alle Ü50er, und die sollten es ja wissen.

Lukas sagt:

Sehr schöner Text. Danke.

Rea sagt:

Vielen Dank Lukas!

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