Freundschaft - kostbares Gut

Freundschaft – Ein kostbares Gut

Die Pandemie hat mir etwas geschenkt, was einige Jahre in der Hektik des Alltags verloren zu gehen drohte: Zeit mit meiner Freundin.
Mit dem Älterwerden hat sich die Bedeutung der Begriffe «meine beste, meine engste Freundin» verändert – ohne dass ich genau sagen kann wann und warum.

Meine älteste Freundin war im Laufe der Zeit eine Weile nicht meine engste Freundin – das war eine ganz undramatische Entwicklung.
Beziehungen verändern sich ständig und mit den Jahren lernte ich, darin keine Bedrohung zu sehen. Im Gegenteil, ich empfinde die Temperaturveränderungen in Freundschaften als eine freundliche Einladung des Lebens, sie wahrzunehmen, zu pflegen, zu geniessen,
zu halten – und zu lassen.

Dabei erkenne ich immer wieder aufs Neue, was mir wichtig ist und bin dankbar, dass mir Freunde und Geliebte aus Jugend- und frühen Erwachsenenjahren heute noch nahestehen.
Die Summe meines bis anhin gelebten Lebens ist gut aufgehoben in diesen Freundschaften. Nichts ist selbstverständlich und nichts für immer – Hallo Mantra, da bist Du ja wieder!

«Ich liebe sie nicht mehr als dich, nur länger»

Diesen Satz habe ich einmal gehört und nie vergessen, weil er so treffend ist. Meine Freundin und ich kennen uns schon über drei Jahrzehnte. Wir wissen umeinander, ob wir wollen oder nicht. Wenn wir Dinge nicht aussprechen wollen oder können, lesen wir es in unseren Gesichtern.
Der Trost der Nähe erfordert den Mut, Schwäche zu zeigen und Rat zu suchen. Dieser Mut fehlte mir in schweren Zeiten. Sich zu lange und zu gut zu kennen, um sich etwas vormachen zu können, ist manchmal quälend.
Es fiel mir in Krisenjahren ab und an leichter, mit einem Menschen Zeit zu verbringen, der mir nicht so nahe stand, dass er mir alles vom Gesicht ablesen konnte. Dann konnte ich mich durchlavieren und für einen Moment meinen aktuellen Zustand vergessen.

Wie einsam das machen kann, wurde mir erst später klar und seither halte ich’s gegenüber meinen Freunden mit der Wahrheit – oder zumindest versuche ich’s. Der Ausnahmezustand der Pandemie fällt in den Beginn meiner Ü50-Dekade. 50 zu werden, löste keine grösseren – zu den eh schon bestehenden – Fragen und Krisen aus. Aber die Sehnsucht wuchs, mit den mir wichtigen Menschen mehr Zeit zu verbringen.

Schnee & Zeit

Über dreissig Jahre Freundschaft, das heisst ein langes Gespräch über …you name it…! Die Liste der Lebensthemen wird mit jedem Jahr länger.
Und natürlich ist Sex immer noch ganz oben mit dabei.

Meine Freundin kannte meine lange verstorbenen Eltern, erinnert sich an den Garten meines Elternhauses und an den Namen unseres Familienhundes.
Ich wiederum sass neben ihr und tröstete sie, als ihre betagte Katze starb, wir teilten die Herausforderungen des Studiums und des Theaterberufes miteinander, sie hörte auf mich, als ich ihr riet, ein zu kühles Männerherz zu vergessen, ich verliess mich auf ihr unbestechliches Auge, sie erlebte meine Schwangerschaft und die Geburt meiner Tochter, gab ihr Muttermilch, von der sie so viel hatte, dass es für mein Kind mit reichte, ich sehe ihre Kinder zu Erwachsenen werden, sie trauerte mit mir um meinen Mann, sieht mich lange wieder glücklich an der Seite eines neuen Mannes.
Wir sahen uns stark und schwach, wir sahen uns ringen mit den Dingen des Lebens und jetzt sehen wir uns älter werden.

Das Netz von gemeinsam Erlebtem ist dicht genug, um Zeiten
der Distanz und Dissonanz zu überstehen. Sie ist eine Zeitzeugin meines Lebens und nun schenkt mir diese beängstigende Zeit der Pandemie Zeit mit meiner Freundin.

Was gibt es Schöneres, denke ich während wir durch den verschneiten Park stapfen, als wären wir Gestalten in einem Gemälde von Breughel oder dem Winterwimmelbuch unserer Kinder.

Der Kern der Klischees

Wir erinnern uns an die Schuhe, die wir am gemeinsam gefeierten Jahreswechsel vor 150 Jahren getragen, bei welchem Film wir geweint und welchen Lover wir nie vergessen haben. Jawoll, das sind drei Klischees!
Heisst Klischee rückwärts nicht manchmal Wahrheit, wenn man ganz schnell schaut und die Augen zukneift dabei, weil der Schnee so glitzert?
Wir sehen die Spuren der Jahre in unseren Gesichtern und was wir dagegen tun schneller, als die Männer an unserer Seite sie entdecken.
Wir wissen, wie wir riechen und welches Lachen das wirklich tiefe echte ist.

Kein fragendes Herantasten im Gespräch, wie es oft am Beginn einer möglichen Freundschaft der Fall ist, sondern ein Weiterspinnen am Gedanken- und Gefühlsnetz.

Fazit, bist du das?

Hoffentlich gehen wir noch lange zusammen durch Pärke, über Plätze und Strassen und sprechen miteinander, während wir die Spuren der Jahre in unseren Gesichtern betrachten. Mein Alter hat – noch – kein Gesicht, aber die Ängste, meine Liebsten zu verlieren und mich in keinem vertrauten Gesicht wiederzufinden, die fühle ich in diesen Zeiten besonders.

Freundschaft hilft das Leben ertragen, habe ich einmal irgendwo gelesen. Und so ist alles gut.

Ich bin in Bern aufgewachsen, meine Eltern waren Basler. Das heisst, mein Vater war Basler, meine Mutter stammte aus einem italienischen Elternhaus in Basel – eine grosse Familie mit multikulturellem, musischem Import/Export-Hintergrund.
Kindheit und 80er Jahre Jugend in Bern – die Freundschaften von damals sind geblieben.
Mit zwanzig ging ich in den hohen Norden nach Hamburg auf die Schauspielakademie.
Danach Theaterleben mit allem Drum&Dran in verschiedenen deutschen Städten.
2001 kehrte ich in die Schweiz zurück und lebe seither in Zürich.
Heimat sind mir die Menschen meines Lebens.
Ich spiele Theater, inszeniere, moderiere, spreche, singe, organisiere kulturelle Salons und trete mit meinem Soloabend "Tumulte blonde - ein fast klassischer Diseusenabend" auf.
Ich lebe in einer langjährigen Partnerschaft und habe eine 13-jährige Tochter.
Pläne schmiede ich selten und Entscheidungen treffe ich schnell.
Mein Leben ist immer für eine Überraschung gut.

Gerda-Marie Adenau sagt:

Liebe Rebekka, was für ein schöner Satz: „Die Summe meines bis anhin gelebten Lebens ist gut aufgehoben in diesen Freundschaften.“ Ja, es ist schön, „alte“ Freundinnen zu haben, mit denen man in Erinnerungen schwelgen, aber auch zu neuen Abenteuern aufbrechen kann.

rebekka burckhardt sagt:

Danke, Gerda und entschuldig bitte meine enorm verspätet Antwort…
Ich hoffe Du bist wohlauf und voller Elan.
herzliche Grüsse aus dem inzwischen wieder kühlen Zürich
Rebekka

Liebe Renate
danke, freut mich…
Es gibt einige wichtige Dinge, ja:))
Und genug Zeit und Raum über sie nachzudenken .

alles Liebe
Rebekka

Renate Stutz sagt:

Grossartiger Beitrag – auch wenn wir viel wissen, tut es gut, wieder mal die wichtigsten Dinge vor Augen zu sehen und sich einzuverleiben!

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