Luxus - Gut. Teil I.

Luxus – Gut. Teil I.

Einst nur den Herrschenden, Adligen oder katholischen Klerikern vorbehalten, definiert der Begriff «Luxus» den verschwenderischen Verbrauch von nicht alltäglichen Gütern und/oder den Besitz von Dingen, die man im Grunde nicht braucht. Zumindest nicht in einer überschwenglichen Version oder Menge. «Luxus» ist auch die Nutzung von Dienstleistungen und Dienstleistern für Aufgaben, die Normalsterbliche selbst lösen. Und dies auf fast allen gesellschaftlichen Ebenen.

Das ist so ungefähr die Verdichtung meiner Recherchearbeit und die Verschmelzung mit der Erfahrung auf der ökonomischen 8terbahn meines Lebens. Ich hatte eine glückliche Kindheit in der unteren Mittelschicht und entwickelte mich hinüber in eine solide untere Oberschicht und wieder zurück. Ich schreibe absichtlich nicht hinauf, weil ich der Meinung bin, in den letzten Jahrzehnten zwar viel erlebt zu haben, aber letztlich immer noch der gleiche «Glünggi» aus der Provinz geblieben zu sein.

Ich empfand meinen Status als «der aus der Peripherie kommt» eine Weile als besondere Auszeichnung, es hat nachgerade sogar meine Karriere beflügelt. Das Provinzielle. Der Aargauer unter lauter Zürchern. So konnten doch in meinen jungen Werberjahren die gestandenen Kreativgötter ihre Ideen quasi «inhouse» testen. Man brauchte keine Marktforschung mehr, denn für sie waren ich und meine Meinung zum «Output» der ganzen Agentur so etwas wie ein Lackmustest für die Arbeiten, die das gemeine Volk motipulieren sollte, etwas zu kaufen. Oder wenigstens besser zu finden als das Konkurrenzprodukt unseres Kunden. Was mir gefiel, musste zwangsläufig mehrheitsfähig sein. Was interessanterweise nicht dazu führte, dass die Ideen keine Preise gewannen. Aber das wäre ein Thema für einen anderen Post.

 

Weil ich diese Kampagnen auch noch besser verkaufen konnte als viele andere, stolperte ich die Karriereleiter hinauf (nicht hinüber, hihi, die geht nämlich nur rauf oder runter), was auch entsprechend abgegolten wurde. Der schnöde Mammon öffnete mir die Tür zu einer sogenannt «besseren» Gesellschaftsschicht. Und ich durchschritt sie – hin und wieder. Nicht zu oft, denn ich war/bin im Grunde immer noch der eher biedere Familienvater mit einem Haufen Kinder, einem Einfamilienhäuschen, einem Hund und einer Katze. Und ich lese Teletext: Ja, ich bin das, liebe «Admeira» (Die vermarkten Teletext und wundern sich, dass das einer liest)!

Hin und wieder leistete ich mir etwas. Weil ich es konnte und weil meine Geschäftspartner das auch machten. Nicht so wie der Pierin, und nicht so wie der UBS-Banker, der mich mal in unserem Hotel fragte: «Habt Ihr eigentlich keinen teureren Wein?» Er hatte den «Tenuta de Ornelaia» für 135 Franken in der Hand… Ich hätte erwartet, dass er nach einem besseren fragt, aber seine Erwartung an Qualität war «Hauptsache teuer.» Und genau an diesem Punkt fängt der «Luxus» an. Und hört der Geschmack oft auf.

Wer nun von mir ein Bashing gegenüber einem exquisiten Lebensstil erwartet, kann hier aussteigen und die viel interessanteren Artikel meiner Ü50 Kolleginnen und Kollegen vom «The Silver Magazine» geniessen.

Denn meine 1. Hypothese lautet:
«In nahezu jeder Einkommensklasse kann ‚Luxus‘ passieren.»

Und jetzt muss ich einen Einwand einbringen und die Menschen in Schutz nehmen, denen es gesundheitlich und finanziell wirklich nicht gut geht. Davon gibt es selbst in der Schweiz zu viele. Wer um seine Existenz und/oder sein Leben kämpfen muss, wird sich in der Regel nichts leisten, was nicht unbedingt sein muss. Das widerspricht im Grunde meiner Theorie. Aber nur ein wenig, denn sobald jemand auch nur einen kleinen Lichtstrahl am Ende des Tunnels erahnt, wird er/sie/es unverzüglich mit dem Dilemma konfrontiert, ob er/sie/es das, was nach dem Abdecken der Grundbedürfnisse übrig bleibt, nun in einen «Lustgewinn» investieren oder besser sparen soll.

Dreimal dürft Ihr raten, was die meisten Menschen in einer solchen Situation tun. Völlig wurscht in welcher KKK (KaufKraftKlasse) sich das Individuum gerade befindet: Es entscheidet sich für den käuflich zu erwerbenden «Lustgewinn». Und das ist gut so. Weil:

 

 

Hypothese 2:
«Luxus ist gut, wenn er zu einem Lustgewinn führt.»

Beweis 1: Untere Mittelschicht.

Es war reinster Luxus, als ich mit meinen Eltern auf der Marbach Egg oder in Adelboden Skiurlaub machen durfte, denn die Familie mit fünf «Goofen» (pejorativer Thesaurus für «Kinder») musste sich das sprichwörtlich vom Mund absparen. Das bedeutete, dass es nur für den Vater und die zwei grossen Brüder Fleisch gab. Die Mutter, die beiden Schwestern und ich assen die «Härdöpfu» (Kartoffeln).

Oder: Ich durfte als Kind jeweils zum Metzger und kaufte 300 Gramm Hackfleisch für sieben Portionen Bolognese Sugo. Da wäre selbst BettyBossi magersüchtig geworden. Aber es war wiederum ein göttlicher Luxus, wenn wir zwei bis drei Mal im Sommer in einem Restaurant einen Coupe Dänemark bestellen durften. Wir fühlten uns wie Prinzen und Prinzessinnen und die Queen (unsere Mami) leistete sich jeweils den Coupe Romanoff (mit viel Erdbeeren und Schlagrahm).

Beweis 2: Mittelschicht.

Der Auszug meiner Geschwister korrelierte mit dem Erfolg meiner Mutter als Malerin. Ihre «Peinture Naif»-Bilder fanden reissenden Absatz und meine Eltern konnten sich – dank weniger Kosten und mehr Einnahmen – Eigentum erwerben. Ein heruntergekommenes Bauernhaus an einem schönen Arsch der Welt, in den mein Vater seine Pensionskasse und meine Mutter das Bildergeld steckte. War das nötig? Nein! Aber sie wollten sich diesen Luxus leisten. Und auf einmal war man Hauseigentümer und nicht mehr Mieter. Man gehörte zu den rund 35% der Besitzenden. «Hostettlers hatten noch nie Land», sagte mein Vater kurz vor seinem Tod. Und er erwartete von seinen Nachkommen, dass sich daran nichts mehr ändere. Für ihn war Landbesitz Luxus. Sein persönlicher «Lustgewinn».

 

Lesen Sie bald in Teil II über den Aufstieg in die Obere Mittelschicht und den «Fall» zurück in die Mittelschicht.
Bleiben Sie dran.

Hansdampf in allen Gassen und am See. In einer eher kleinen Stadt im Aargau aufgewachsen, lebe ich nun nach meiner Flucht via die grosse Stadt am Zürichsee in «Ermatingen. Dem langweiligsten Ferienort der Schweiz». Verzeiht, aber es gefällt mir hier, unter anderem deshalb, weil es nur 45 Minuten weg von Zürich liegt.

Man hatte mich in der Metropole für verrückt erklärt, dass ich meine Karriere als Werbefuzzi an den Nagel hänge, um mit meiner Frau ein Hotel am Bodensee zu eröffnen. Man hält mich aber auch in Ermatingen immer noch für einen Spinner, weil ich dem Dorf den Slogan siehe oben verpasste. Nun; hätten sie mich eben nicht in den Vorstand des Tourismusvereins wählen sollen.

Ein wenig stolz waren sie allerdings, dass meine Erfindung, das «Panorama Knife», hier geboren wurde – unter uns: auf dem Weg nach Zürich. Neun Jahre Hotel und parallel neun Jahre Messer waren dann für meine Frau und mich genug Grund, eine Auszeit zu nehmen.

Um dann ab Mitte 2020 in neue Projekte zu investieren. Heute kümmert sich unsere Familie um drei KMUs, nähere Infos dazu gibt es unter www.hostaulac.ch.

Ich werde also genug Stoff für meine Blogs finden. Auch dass man sich im Alter von 50 oder gar 60 Jahren durchaus komplett neu erfinden darf.

Christoph Dill sagt:

Geile Siech 😉

Andy Hostettler sagt:

Danke Christoph, ob Du das nach Part II. immer noch findest😉

Christoph sagt:

Du darfst wünschen, bin s‘dillistisch offen 😘

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