Karriere 50plus – neu definiert.

Karriere 50plus – neu definiert: 5 Impulse zur beruflichen Neuorientierung

Karriere 50plus – neu definiert: 5 Impulse zur beruflichen Neuorientierung
Karriere, damit konnte ich lange Zeit nichts anfangen. Ich wollte nie eine Karriereleiter hochklettern, mich nie dem Karrierekampf aussetzen. Ich wollte meine Talente in eine sinnvolle Tätigkeit einbringen können, dafür Anerkennung erhalten und ein gutes Gehalt. Ich wollte Verkaufs- und Kommunikationstrainerin werden und bin es geworden. Mein Traumberuf. Mit 49 konnte ich mir einen zweiten Berufstraum erfüllen: Über einen Quereinstieg bekam ich einen Job in der Unternehmenskommunikation. Mit Mitte 50 – die Kinder waren aus dem Haus – war es erneut Zeit, mich beruflich neu zu orientieren.

Karriere 50plus – Zeit für die berufliche Neuorientierung
Karriere ist per se weder gut noch schlecht – der Begriff bezeichnet erst einmal nur den beruflichen Werdegang eines Menschen. In der Regel verbinden wir ihn gedanklich mit einem zweiten Begriff: Erfolg. Geht es nach traditionellen Laufbahnentwicklungstheorien, befinden wir uns in unseren 50er Jahren in der Erhaltungsphase unserer Karriere, in der es hauptsächlich um eins geht: Erhaltung von Status und Qualifikation. Doch die werden längst schon überholt von der Wirklichkeit: Menschen fangen mit 50 an zu studieren, gründen Unternehmen, wechseln ihre Jobs, steigen aus und wieder ein, verwirklichen sich in Ehrenämtern, kurzum: sie erfinden sich beruflich neu.

Karriereanker: Was mir wirklich wichtig ist
Als ich mit Mitte 50 auf meine Karriere zurückblickte, tat ich dies durchaus mit gemischten Gefühlen. Von 100 Arbeiterkindern beginnen nur 21 ein Studium, und nur 15 schliessen es mit einem Bachelor ab. Ich bin eines davon. Darauf kann ich stolz sein. Auch beruflich kann sich meine Bilanz sehen lassen, vor allem vor meinem familiären Hintergrund als alleinerziehende Mutter. Dennoch haderte ich mit mir: Hätte ich es mit etwas Mut nicht auch zu einem Master oder einem Doktortitel bringen können? Hätte ich nach dem Studium nicht doch ins Ausland gehen sollen? Hätte ich… hätte, hätte, Fahrradkette. Ich stoppte meine negativen Gedanken und begann, mich stärker damit zu beschäftigen, was mir für die nächsten Jahre beruflich wichtig ist. Mir ging es nicht so sehr darum, wo ich in fünf Jahren stehen möchte, sondern wer ich sein möchte, wie ich beruflich leben will. Karriereanker nennt dies der amerikanische Soziologe Edgar Schein und meint damit «das Element im Selbst-Konzept, das jemand keinesfalls aufzugeben gewillt ist, auch nicht angesichts schwieriger Entscheidungen.»
Wie findest Du Deinen Karriereanker? Wie findest Du heraus, was Du wirklich beruflich möchtest? Hierzu fünf Impulse:

 

Impuls Nr. 1: Wenn ich könnte, wie ich wollte
Ja, wie willst Du denn? Und was willst Du? Eine einfache Übung hilft Dir dabei. Alles, was Du dafür brauchst, ist ein Blatt Papier, ein Stift und eine Uhr. Schreibe auf das Blatt Papier als Überschrift: «Was ich schon immer mal gewollt habe und immer noch will.» Dann stelle die Uhr auf fünf Minuten ein und beginn zu schreiben. Schreib alles auf, was Dir in den Sinn kommt. Schau Dir Dein Blatt in Ruhe an. Lass es auf Dich wirken. Dann unterstreichst Du die fünf Elemente, die Dich am meisten anziehen. Nimm ein neues Blatt. Schreibe das erste Element darauf, zum Beispiel: «Auf einer Bühne stehen.» Stell die Uhr wieder auf fünf Minuten. Schreibe jetzt alle Ideen auf, die Dir einfallen, was Du alles tun könntest, um diesen Wunsch umzusetzen. Das machst Du mit allen fünf Wünschen. Leg dann das Blatt für einen Tag beiseite. Nimm es dann wieder, schau darauf und spür noch einmal nach, was Dich am meisten anzieht. Dann geh Stück für Stück Deine Umsetzungsideen durch und entscheide, was Du als Erstes tun willst.

Impuls Nr. 2: Ressourcen entdecken in der Berufsbiografie
Für diese Übung brauchst Du ein bisschen mehr Zeit. Nimm Dir Deinen schriftlichen Lebenslauf oder schreibe die Stationen auf ein Blatt Papier. Gehe nun Station für Station durch und stell Dir ein paar Fragen, zum Beispiel:
• Was ist mir damals richtig gut gelungen?
• Bei welchen Stationen fangen meine Augen auch noch im Rückblick an zu glänzen?
• Welche Krisen und Umbrüche habe ich erfolgreich überstanden – und wie ist mir das gelungen?
• Wann und wo habe ich magische Momente erlebt?
• Welche Stationen waren für mich besonders befriedigend, und was war der Grund dafür?
Besonders stark ist diese Impulsarbeit, wenn Du sie mit einem Menschen durchführst, der Dir diese Fragen stellt und Dir aufmerksam zuhört. Durch diese Übung lernst Du Deine Werte, Deine Kompetenzen und Deine Stärken kennen – alles wichtige Ressourcen für Deine nächste Etappe.

Impuls Nr. 3: Ich würde ja gerne, aber – über den Umgang mit Hindernissen
«Oh, Du nimmst ein Sabbatical? Würde ich auch gerne, kann ich mir aber nicht leisten.» Wirklich nicht? Wie viel Geld brauchen wir wirklich? Mein Tipp: Über ein paar Monate ein Ausgabenbuch führen und kalkulieren: Wie viel brauche ich wirklich – und bis wann. Auf dieser Basis lässt sich eine Finanzplanung erstellen. Und wenn es nicht für eine ganzes Jahr Auszeit reicht, dann vielleicht für zwei Monate. Letztendlich ist es immer ein Abwägen dessen, was einem wichtig ist. Eine Betrachtungsweise, die mir persönlich sehr geholfen hatte: Die Auszeit nicht als eine Art Luxusurlaub zu betrachten, sondern als eine Investition in mich selbst, um meine Arbeitsfähigkeit bis zur Rente zu erhalten.
Eine andere oft genannte mentale Barriere ist die Sorge, im Kästchen des Organisationscharts nach unten zu rutschen und damit an Prestige und Einfluss zu verlieren. Es lohnt sich, diesen Blick einmal zu hinterfragen: Was kann ich strategisch tun, um meine Position zu behalten? Oder ist dies sogar eine gute Gelegenheit, von der 60-Stunden-Woche herunterzukommen? Und eröffnet es mir nicht vielleicht ganz neue Chancen?
Perspektivenwechsel heisst das Zauberwort, um auch in schwierigen beruflichen Situationen die Entscheidungs- und Handlungssouveränität zu behalten.

Impuls Nr. 4: Die Zukunftsstory – Geschichte in die Zukunft erzählen
Dies ist mein Lieblingsimpuls – das Entwerfen meiner zukünftigen Biografie hat mir genau gezeigt, wer und was ich sein möchte.
Stell Dir vor, Du schaust in 20 Jahren auf Deine berufliche Entwicklung im Zeitraum zwischen 50 und 65 zurück. Welche Geschichte möchtest Du über Dich erzählen? Was würdest Du bereuen, wenn Du es jetzt nicht tust? Welche beruflichen Träume hast Du Dir noch erfüllt? Wie haben Dir die Ressourcen aus der Vergangenheit (Impuls 2) geholfen, Deine Träume zu verwirklichen? Worauf hast Du verzichtet? Wo hast Du Mut bewiesen, Neues gewagt?

Impuls Nr. 5: Einfach mal machen
Du hast Dir viele Gedanken gemacht, vieles aufgeschrieben, in der Fantasie ausprobiert. Jetzt kommt das Entscheidende: Herausfinden, was Du wirklich willst, kannst Du nur, wenn Du es selbst ausprobierst. Der einzige Weg zur Klarheit führt über das Erleben. Es muss nicht gleich ein grosser Umbruch wie die Kündigung sein. Durch Job-Shadowing kannst Du neue Jobs kennenlernen, durch Reverse-Mentoring wertvolle Anregungen von jüngeren Kolleginnen erhalten. Engagiere Dich in Mitarbeitenden-Initiativen Deines Unternehmens, nutze Angebote wie Schnupper-Teilzeit und Mini-Sabbatical. Bewirb Dich um die Mitarbeit in spannenden Projekten, vielleicht sogar um die Projektleitung. Vor einigen Monaten hörte ich von einem Projekt zum Thema Leadership-Narrativ. Ich rief den Abteilungsleiter an, erzählte ihm von meinen Erfahrungen und meinte: «Ich möchte gerne meine Expertise einbringen.» Mit dem Ergebnis, dass ich beim Pilottraining eines grossartigen Storytelling Programms mit dabei war.

Karriere 50plus – neu interpretiert, neu definiert. Viel Erfolg dabei.

Den Impulsvortrag mit meiner Partnerin Linda Bosse – Bewerbungsexpertin für Frauen in digitalen Zeiten gibt es
📅 am 07. Februar 2022
🕒 von 15:00 – 16:00
auf Einladung des Demographischen Netzwerk Hamburg.
Zur Anmeldung geht es hier lang:
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Mein erster Lebens- und Bildungsweg führte mich von meinem kleinen Eifeldorf bis zur Kreisstadt. Mit 19 war ich ausgebildete Bankkauffrau – ich war am Ziel meiner beruflichen Träume angekommen! Doch da war so eine Sehnsucht in mir, eine Sehnsucht nach Lernen und Denken und Erfüllung.
Auf dem Köln-Kolleg holte ich mein Abitur nach. Neben der Schule zog ich durch Museen, gab mein ganzes Geld für Theater-, Ballett-, Konzertbesuche aus und lernte jede Menge aufregender Leute kennen. Weiter ging's nach München zum BWL-Studium. Erster Job in einer Unternehmensberatung.
9 Jahre später, verheiratet, Mutter einer 12 Monate alten Tochter, nach der Elternzeit den Job verloren, und wie von Zauberhand fand ich mich in einem Konzern wieder. Zweites Kind, Scheidung, alleinerziehend. Ein Wimpernschlag später: die Kinder aus dem Haus, den Job im Griff. Zeit, einen Gang zurückzuschalten. Oder ein Philosophiestudium zu beginnen.
Und so wandle ich derzeit auf dem dritten Bildungs- und Lebensweg. Manchmal hadernd ob der Kürze der Zeitspanne, die noch vor mir liegt. Manchmal zornig, wenn ich mal wieder die unsichtbare Altersdiskriminierung spüre. Und immer wieder neugierig, was mir diese spannende Phase von Mitte 50 bis Mitte 60 noch alles bringen wird. Darüber möchte ich schreiben. Meine Geschichten sollen eine Brücke bauen vom Ich zum Du, sie sollen Impulse geben, neue Perspektiven aufzeigen und zum Debattieren anregen.

Loring Sittler sagt:

Die Altersdiskriminierung ist niciht nur unsichtbar, sie ist auch leider – insbesondere bei Frauen – bis ins Unbewußte hinein verinnerlicht und daher besonders schwer zu überwinden: Der Artikel, ein toller Beitrag dazu. Noch umfassender nachzulsen im Buch von Ashley Applewhite: „This chair rocks“ – a manifesto against ageism (auch ein schöner TED-Talk!)
Es gibt noch viel zu tun in dieser Sache!

Sabine vO sagt:

Danke Dir für die Impulse. Das werde ich ausprobieren. Und dann geht es los in die Umsetzung! Hab ja nicht mehr so viel Berufszeit übrig, die will ich mit viel Spass verbringen. Liebe Grüße Sabine

Sabine sagt:

Dankeschön für den Impuls, liebe Gerda-Marie. Di selbst bist der lebende Beweis für die Wirksamkeit deines 5-Punkte Programms. Es macht Spaß und gibt Hoffnung, dich dabei zu beobachten!

Andy Hostettler sagt:

Danke Gerda-Marie, Du bringst es auf den Punkt. Auf die 5 Punkte. Die kann ich nur weiter empfehlen. Persönlich hatte ich immer mit dem Punkt 5 angefangen. Einfach tun. Es darf auch etwas Kleines sein. Das ist etwas verwegen und auch nicht ganz ohne Risiko, doch wenn man zu viel plant und rechnet, nimmt es einem oft den Schneid. Lieber Gruss Andy

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