Und ewig verliert das Weib?

Und ewig verliert das Weib?

«So früh wie möglich anfangen.»

Haben Sie genug Geld im Alter? Frauen haben im Schnitt im Alter ein Drittel weniger finanzielle Mittel zur Verfügung als Männer. Den meisten Frauen fällt das Defizit erst auf, wenn sie sich pensionieren lassen. Eine Frage der Information.

Vor gut drei Jahren hat die Swiss Life, ein grosses Schweizer Vorsorge- und Finanzlösungsunternehmen, eine Studie herausgegeben, die immer noch aktuell ist: Gender Pension Gap. Interessantes Material, das vor allem zutage förderte, dass Frauen im Verlauf ihres (Arbeits-)Lebens Gefahr laufen, finanziell in puncto Vorsorge ins Hintertreffen zu gelangen.

 


Andreas Christen, Senior Researcher Vorsorge bei Swiss Life

 

Wie aber kann man das verhindern? Schon auch aus eigenem Antrieb – ich bin selbst nicht so fit in Sachen finanzielle Vorsorge – habe ich mich mit dem Verfasser der Studie, Andreas Christen, Senior Researcher Vorsorge bei Swiss Life getroffen. Und gefragt, ob es einen Generalstabsplan gibt, wie man sich als Frau mit der Vorsorgeplanung auseinandersetzen kann? «So etwas wie eine allgemein gültige Lösung gibt es in dem Sinne nicht», erklärt der Autor der Studie Gender Pension Gap. Jede Frau ist einzigartig, jedes Lebensmodell individuell. Aber es gibt Waypoints, die für alle gleich sind, Momente im Leben, wo man sich unbedingt mit dem Thema auseinandersetzen sollte, egal, wie unsexy man das findet.

Lücken zügig füllen

Mit 17 Jahren wird man in der AHV beitragspflichtig, wenn man erwerbstätig ist, auch als Studentin mit einem gewissen Pensum. Als Lehrtochter erledigt das der Betrieb, in dem man arbeitet. Als nichterwerbstätige Studentin ist man ab 20 Jahren AHV pflichtig. Ist man nicht erwerbstätig, sollte man ab da schon sicherstellen, wenigstens den Mindestbetrag einzuzahlen (CHF 503). Ist man dann bereits selbständig, richtet sich der Betrag nach dem Einkommen, für Angestellte führt der Arbeitgeber die Beträge über den Lohn ab. Und schon in der Zeit muss man wissen: Lücken kann man nur rückwirkend fünf Jahre schliessen, es lohnt sich also, sich permanent zu informieren.

Im Dschungel der Produkte

Schon unter 25 Jahren lohnt es sich, über einen Sparplan nachzudenken, z.B. über Einzahlungen in die Säule 3a. Das kann man mit seiner Bank diskutieren (da gibt es aber keine Zinsen derzeit), mit Versicherungen, die Produkte anbieten, oder selbst tätig werden – Stichwort «Freie Vorsorge» und in Fonds investieren. Grundgedanke: Je früher man anfängt und spart, desto mehr hat man von den Zinsen und Zinseszinsen. Ab 25 beginnt das berufliche Alterssparen, man zahlt – zumindest als Angestellte – zusammen mit der Arbeitgeberin in eine Pensionskasse (2. Säule) ein. In dieser Zeit sind die Voraussetzungen für Frauen und Männer auch weitgehend gleich. Bis zu dem Punkt, wo das Thema Familienplanung beginnt. «Je länger man weg ist vom Arbeitsmarkt, desto weniger Lohn bekommt man in der Regel, wenn man Teilzeit arbeitet oder später wieder voll einsteigen möchte», sagt Andreas Christen. Frauen mit tertiärem Bildungsabschluss verlieren pro Jahr Babypause nachhaltig bis zu drei Prozent ihres Lohns (auf eine Vollzeitstelle gerechnet), und sie werden wegen der Lücken schlechter bezahlt. Tipp: Auch wenn es sehr unsexy ist – man sollte dringend mit dem Partner diskutieren, wie die Familienbetreuung aussehen soll und sich der Konsequenzen auf die Altersvorsorge bewusst sein. Eine Arbeitsteilung macht meistens mehr Sinn, auch wenn ein Elternteil vermeintlich im Moment nur für die Begleichung der Kosten für die Kinderbetreuung arbeitet. Nach hinten raus zählen die Arbeitsjahre und in der 2. Säule vor allem die Lohnsumme für die Altersvorsorge. Es macht auch Sinn, sich zu erkundigen, welche Pensionskassenlösung der Arbeitgeber hat, je nachdem ist der sogenannte Koordinationsabzug ausschlaggebend für die Höhe der Einlagen (der Koordinationsabzug ist ein Betrag, der zur Berechnung der Spar- und Risikobeiträge für die berufliche Vorsorge vom Lohn abgezogen wird, die Höhe kann variieren).

 

Goldene Regeln

Böhmische Wälder? Ich weiss, es ist mühsam, sich mit den Begriffen und den doch sehr trockenen Fakten auseinanderzusetzen. Am einfachsten ist es, man lässt sich beraten. Das geht zum Beispiel bei Swiss Life, auch ganz unverbindlich, natürlich wollen alle Versicherer und Dienstleister, die Beratung anbieten, auch ihre Produkte an die Frau bringen. Das kann man sich überlegen, aber in erster Linie ist es sinnvoll, sich über die eigene Situation und die Möglichkeiten, so gut wie möglich im Alter finanziell dazustehen, bewusst zu werden. Es gibt eine goldene Regel für die Informationsbeschaffung: Überprüfen Sie Ihre Situation immer dann, wenn ein grosser Lebensabschnitt bevorsteht. Vorher. Zum Beispiel die Geburt eines Kindes, eine Heirat, eine Scheidung, ein neuer Job, letztere auch und gerade im Alter. Wissen bedeutet Sicherheit und man hat das Gefühl, Herr der eigenen finanziellen Lage zu sein, ein gutes Gefühl.

Sinnvolle Überlegungen

Jetzt sind wir ja nicht mehr 30, also heisst es erst recht Fakten checken. Wer jetzt sofort wissen will, wo er/sie steht, kann bei der kantonalen Ausgleichskasse einen AHV-Kontoauszug anfordern. Und wenn man seinen Pensionskassenausweis findet, kann man ablesen, welches Einzahlpotenzial man hat, also mit welchem Betrag man Lücken füllen kann. Eine Finanzplanung bekommt man auch bei Banken und Versicherern ausgearbeitet, die ist aber meist kostenpflichtig, weil komplex. Aber auch das kann sich lohnen, besonders bei sehr grossen Lebensereignissen. Und ganz wichtig: Wer in einem Konkubinat lebt, sollte zwingend einen Konkubinatsvertrag mit dem Partner oder der Partnerin abschliessen. Auch das ist kein sexy Thema für eine Beziehung, macht aber Sinn im Hinblick auf unvorhergesehene Ereignisse wie Trennung oder Tod.

Es ist nie zu spät

Noch verwirrter? Ich verstehe Sie. Hundertprozentig absichern kann man sich niemals. Aber man kann sich Wissen aneignen und sollte das als eigenständige Frau auch tun. Und so früh wie möglich anfangen. Zu spät ist es nie, auch mit 60 kann man beginnen, kann noch einiges aufholen in puncto Rücklagen fürs Alter, im Idealfall leben wir ja noch 30 fröhliche Jahre. Mindestens. Die Gender Pension Gap-Studie kann man übrigens online lesen, sehr aufschlussreich, man findet sie unter swisslife.ch/gpg.

Das Interview erschien erstmals in Brigitte Schweiz Ausgabe 26 2021

Illustrationen und Foto: Swiss Life

Meine persönliche Freiheit ist untrennbar mit Autos verbunden. Worden, geblieben, und intensiviert. Ich komme aus Lübeck, habe die Tür zur schreibenden Zunft bei Auto Bild in Hamburg geöffnet bekommen und seit da nie mehr aufgehört, mich mit dem Thema Auto/Mobilität zu befassen. High Tech und tiefgehende Fachartikel kann ich nicht, das vermögen diverse arrivierte Kolleginnen und Kollegen der Fachpresse viel besser. Ich kann Emotionen, Leidenschaft, erlaube mir, ganz authentisch über Mensch und Maschine zu schreiben. Und manchmal, manchmal ist das Thema so richtig sexy, ich erlebe Dinge, die unter die Haut gehen, oder zu Hau(p)tsachen werden. Als Freelance Journalistin schreibe ich seit 1997 in der Schweiz für ganz unterschiedliche Magazine. Ein sehr breites Portfolio darf ich inzwischen bespielen, ein unfassbares Glück.

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