Ausgemustert

So kann es enden: keine Ehe und trotzdem glücklich.

Ausgemustert

So kann es enden: keine Ehe und trotzdem glücklich.

Eigentlich wollte ich meinen Einstand hier sanft angehen. Etwas über das Frühlingserwachen philosophieren, von Vögeln erzählen, die zwitschern, ein paar Blüten einflechten und die Bienen nicht vergessen. Die Bienen mit ihren putzigen Pollenhöschen! Ach, wie zart und süss!

Doch in meinem Kopf hat momentan grad nur ein Thema Platz: Meine Scheidung. Erstaunlicherweise ist eine Scheidung nicht ganz so lustig, wie uns das frisch geschiedene, Cüpli trinkende Paare auf den sozialen Medien weismachen wollen. Und wir – mein zukünftiger Exmann und ich – haben auch keine Scheidungszeremonie mit einem Schamanen geplant, in der wir uns gegenseitig den unendlichen Weiten des Universums zurückgeben. Nicht dass einer von uns mit der Scheidung nicht einverstanden wäre – mein zukünftiger Exmann und ich sind schon seit ein paar Jahren einvernehmlich getrennt. Und als er zu mir kam und meinte: «Sollen wir uns scheiden lassen?» konnte ich nur mit «Okeee!» antworten, denn es fühlte sich richtig an. Im ersten Moment. Im zweiten jedoch nicht mehr ganz so. Genauer gesagt von dem Augenblick an, als er fragte: «Und wie machen wir das mit dem Haus?» Von da an gab’s keine einvernehmlichen Antworten mehr.

Das war vor ein paar Wochen. Unterdessen zieht sich eine dicke Wand durch unser einst gemeinsames Haus und durch unsere einst gute Beziehung. Eine Seite gehört ihm, die andere mir. Wir sind jetzt zwei Parteien, zwar immer noch an einer Adresse, dafür hat jeder von uns einen Anwalt bzw. eine Anwältin. Die Anwälte sind sich in etwa so uneins wie wir, wovon vor allem sie profitieren. Sie haben zwar für uns das Streiten übernommen, aber da sie das im Endeffekt nicht besser machen als wir, kostet es uns Unsummen von Geld. Seltsamerweise bringt uns dieser Umstand jedoch wieder näher zu unserem gemeinsamen Vorhaben, die Sache einvernehmlich zu lösen.
In einem Punkt sind sich die Anwälte jedoch einig: meinem Alter. Ich bin 53 Jahre alt und offenbar zu alt für zwei Märkte: den Arbeitsmarkt und den Heiratsmarkt.

Auf dem Arbeitsmarkt sieht es besonders schlimm aus. Ausgemustert. Sagen die Anwälte. Nicht einmal ein Plätzchen an der Migros-Kasse gibt’s noch für mich. Was sehr traurig ist, denn früher konnte man im äussersten Notfall immer noch theatralisch reklamieren: «Dann arbeite ich halt an der Migros-Kasse.» Die Migros-Kasse war ein sicherer Wert, dort fand man immer Unterschlupf. Das ist heute mangels Kassen vorbei. Und ich bin als begeisterte Self-Scannerin massgeblich daran beteiligt, dass es so weit gekommen ist. Aber halb so schlimm. Self-scannen ist ein bisschen wie Kassiererin spielen, nur halt für den Privathaushalt und ohne Bezahlung. Und darin habe ich nun wirklich langjährige Erfahrung: für den Privathaushalt arbeiten ohne Bezahlung. Ich werde also trotz Statistiken und Tabellen der Anwälte beschäftigt bleiben. Ob mit oder ohne Bezahlung.

Was den Heiratsmarkt angeht, reden die Anwälte von meiner Wiederverheiratungschance, die liegt praktisch bei null (sic!). Und dies vor allem, weil ich eine Frau bin und meine fruchtbaren Jahre weit hinter mir liegen. Auch hier: ausgemustert. Mein neuer Partner, der übrigens als 50-jähriger Mann eine absolut intakte Wiederverheiratungschance hat, zuckt derweil ob meiner Empörung nur mit den Schultern und meint lakonisch: «Ich will dich auch nicht heiraten.» Na ja. Vielleicht haben die Anwälte ja recht. Ich will ihn auch nicht heiraten. Hatten wir schon. Kinder auch bald draussen. Und was uns verbindet, sind unsere gemeinsamen Interessen.

Und die Liebe. Also was spricht gegen zusammenbleiben, bis dass der Tod uns scheidet? Ob mit oder ohne Heirat.

Ich bin in Wettswil a./A. geboren, mitten in die Mittelschicht hinein und verbrachte eine behütete Kindheit auf dem Dorfe. Als pubertierende Gymnasiastin fabulierte ich gerne über die Fesseln des Kapitalismus und die Freiheit des Kommunismus, während ich mich träge am Rande des elterlichen Swimming-Pools räkelte. Nach der Matur und dem obligaten Sprachaufenthalt folgte ein Psychologiestudium. Nebenbei kellnerte ich und war vermutlich die schlechteste Bedienung der ganzen Stadt. Was aber in den 80-er Jahren total egal war, Hauptsache man trug wasserstoffblonde Haare. Die nächsten 20 Jahre verbrachte ich in der Werbung als Grafikerin und Illustratorin, bis ich unbedingt etwas ganz anderes machen musste. Kinder, zwei. Zusätzlich machte ich eine Ausbildung zur Maltherapeutin und eröffnete ein Malatelier für Kinder. Ich habe Zeit meines Lebens geschrieben. Als letztes für Giacobbo/Müller, SRF Comedy und als Kolumnistin für verschiedene Publikationen. Ich lebe mit meinen beiden Töchtern und einer sehr dicken Katze in Zürich. Ein gewisser Hang zur Ironie des Lebens ist mir aus den Tagen am Pool geblieben, auch wenn ich es heute um einiges leichter und mit viel mehr Humor nehme als damals.

Gerda-Marie Adenau sagt:

Liebe Simone, wenn´s um den Arbeitsmarkt als Frau mit 50plus, kann ich Dir versichern: Da geht noch was! Herzlichst
Gerda-Marie

Simone Liedtke sagt:

Liebe Gerda-Marie
Das habe ich mir auch gedacht und deshalb mache ich jetzt einfach mal mein Ding, egal was andere sagen.

Dir wünsche ich einen wunderbaren Abend und grüsse dich herzlich!

Chaime sagt:

Also heute nimmt man zur Scheidung keine Anwälte mehr nur ein mediator das solltest du doch wissen?
Er muss sowieso dich noch bezahlen bis zur Ahv und Rausschmissen geht mit 2 kinder sowieso nicht. Also hopp spring über dein schatten und melde dich ab von deinem Anwalt und schau nach einer Mediation das ist billiger und auch nachhaltig.
Mit viel liebe von ein m der dich von deinem Elternbett kennt 😂

Kathrin sagt:

Welcome liebe Simone!
Musste grad herzlich lachen, danke für Deinen erfrischenden Text! Been there…
Herzlich, Kathrin (eine Silverblogger Kollegin ☺️

Simone Liedtke sagt:

Danke, liebe Kathrin!

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