Eingemachtes

EINGEMACHTES

Der Herbst war gross; und es war wieder Saison. 

Einmachsaison.

Inzwischen ist das Jahr wieder ganz jung, es liegt ein wenig Schnee, die verdorrten Weihnachtsbäume stehen müde am Strassenrand – die Festtage sind bereits Erinnerung.

Äbe, wir bekommen öfters Eingemachtes geschenkt.

Eingemachtes ist eine Provokation für mich. Es wirft mich auf meine Lebensweise zurück, auf mein ewiges Readymade. Es  zeigt mir, wer ich bin.

Ich sage es gradement: 

Selbsteingemachtes macht mich fertig.

 

DIE SAMMLEREI

Vor über einem Jahr, im Spätherbst der Pandemie, stiess ich während eines Spaziergangs durch die Basler Altstadt auf einen Stand des Vereins www.diesammlerei.ch.

Auf dem hübschen Infoflyer las ich:

«Die Sammlerei» ist ein Verein, der in einem Pilotprojekt im Herbst 2020 begonnen hat,  Früchte & Gemüse, die nicht mehr markttauglich waren oder in Privatgärten nicht geerntet werden konnten, in einer professionellen Küche nach traditionellen Methoden zu konservieren und anschliessend zu verkaufen.

Die Helfer*innen ernten kostenlos in Basler und Baselbieter Gärten, wenn die Eigentümer*innen dies selbst nicht tun können oder wollen oder wenn die Ernte ihre Kapazitäten übersteigt.

Die gesammelten Früchte und Gemüse werden naturbelassen, professionell und nach bewährtem Wissen konserviert.

Die Produkte werden in Läden und auf Märkten verkauft.

Die Helfer*innen sind Menschen mit seelischen Wunden.

Gemeinsam betreiben sie mit Kopf, Hand und Herz die Sammlerei.

Selbstbestimmt und unentgeltlich setzen sie ihre Talente und Zeit für ein Projekt ein, dass sie überzeugt.“

Was ist das doch für eine grossartige Initiative!

DÉFORMATION PROFESSIONNELLE

Als Schauspielerin muss ich aus beruflichen Gründen immer wieder ans Eingemachte, auch ans selbstgemachte Eingemachte. Nach bald 30 Berufsjahren ist mir eine ordentliche Déformation professionnelle daraus erwachsen.

Aber ich schweife ab…….

Äbe, wir bekommen,  wie gesagt,  öfters Eingemachtes geschenkt.

Natürlich freue ich mich immer,  wenn mir so eine Delikatesse überreicht wird, denn ich weiss ja, wieviel Mühe sich der/die Schenkende gemacht hat und wieviel Arbeit in dem kleinen Glas drin steckt:

Ernten, lagern, waschen, rüsten, schneiden, trocknen, marinieren und dann einlegen. Unbedingt luftdicht verschliessen; und das Glas muss keimfrei sein wie ein Operationstisch, sonst war die ganze Müh vergeblich. Dann beschriften, hübsch verzieren und  mit Bändern umwickeln.

Gerührt stelle ich jeweils das geschenkte Eingemachte fürs Erste ganz prominent aufs Küchenregal, um bei seinem Anblick an den Anlass, der zu dem Geschenk geführt und den Menschen, der es mir überreicht hat, zu denken.

Nach einer Weile, die dauert schon mal eine Weile, diese Weile – wird wiedermal der Küchenschrank geputzt, in den die Gläser inzwischen verstaut worden waren.

Ja, ich gestehe es!

Jedesmal muss ich Eingemachtes entsorgen, weil es inzwischen einfach zu alt geworden und beim Öffnen nicht mehr sehr einladend gerochen hat.

BUTTEMOSCHT

Es ist ja nicht so, dass ich Homemade nicht zu schätzen wüsste. Ich kaufe gerne Homemade – am liebsten auf dem Markt. Bärlauchpesto oder noch lieber Nusspesto. Dann die vielgeliebte Quittenkonfi – nicht das Gelee, die Konfi!!

Am allerliebsten aber ist mir die Hagenbuttenkonfi – «Buttemoscht» sagte meine Basler Grossmutter dazu. Fast flüssig, dunkel und von einer herben Süsse – göttlich!

Die Verarbeitung der Hagebutte zur himmlischen Konfi ist eine Mordsarbeit, drum zahlte ich gerne und ohne Zögern den happigen, aber angemessenen Preis.

Das gekaufte Eingemachte spare ich nicht auf und lasse es selten verfallen.

Das sagt natürlich etwas über mich aus – schon klar.

Inzwischen war ich auf meinem Spaziergang am Rhein angekommen.

Et voilà, hier war sie, die kleine Erkenntnis:

Ich hatte immer viel zu viel Ehrfurcht vor dem geschenkten Eingemachten!

Ich wollte es aufheben für später, wenn’s mal besonders schön ist, für den Brunch en famille, den Apero mit Freunden.

Ja, das geschenkte Eingemachte ist mir wertvoll und kein Anlass gut genug, es zu öffnen.

Wie verkehrt ist das denn!?

Es ist genau andersrum!

Das Eingemachte wird geehrt, in dem es sofort vertilgt wird!

Am besten kippt man sich noch in Anwesenheit der/des Schenkenden das Glas eingemachter Wildkirschen unter Dankesjubeljuchzern  hinter die Binsen und lässt den süssen Saft übers Kinn rinnen.

Jawoll!

Nix aufheben.

Nix aufschieben.

Nix schpärele.

Es verkommt, es verfällt, es verfault – und das ist keine Metapher.

«JääJoo» murmelt Väterchen Rhein vergnügt.

Während ich auf die Fähre wartete, schwor ich mir: Ich werde künftig das Eingemachte ehren und gleich vertilgen!

«Verzell du das am Fäährimaa», sagen die Basler, wenn sie etwas nicht glauben.

Ich freue mich auf alles Eingemachte.

Doch, doch – aufs Geschenkte und aufs Selbstgemachte!

 

Ich bin in Bern aufgewachsen, meine Eltern waren Basler. Das heisst, mein Vater war Basler, meine Mutter stammte aus einem italienischen Elternhaus in Basel – eine grosse Familie mit multikulturellem, musischem Import/Export-Hintergrund.
Kindheit und 80er Jahre Jugend in Bern – die Freundschaften von damals sind geblieben.
Mit zwanzig ging ich in den hohen Norden nach Hamburg auf die Schauspielakademie.
Danach Theaterleben mit allem Drum&Dran in verschiedenen deutschen Städten.
2001 kehrte ich in die Schweiz zurück und lebe seither in Zürich.
Heimat sind mir die Menschen meines Lebens.
Ich spiele Theater, inszeniere, moderiere, spreche, singe, organisiere kulturelle Salons und trete mit meinem Soloabend "Tumulte blonde - ein fast klassischer Diseusenabend" auf.
Ich lebe in einer langjährigen Partnerschaft und habe eine 13-jährige Tochter.
Pläne schmiede ich selten und Entscheidungen treffe ich schnell.
Mein Leben ist immer für eine Überraschung gut.

Cecile Dünner sagt:

Liebe Rebekka,

ich habe keinen Zweifel das Du ein gutes Eingemachtes auf die Reihe bringst.

Das beste „Eingemachte“ bringst Du auf die Bühne und das ist noch mit einem viel grösseren Aufwand getrieben, als „nur“ mit waschen, rüsten, schneiden, trocknen, lagern.
Gerne warte ich auf weiteres „Bühnen-Eingemachtes“👍 von Dir!

Bis zum nächsten Auftritt
gros bisou🥰

Cécile

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