Muss nur noch kurz ...

Muss nur noch kurz…

…die Mails checken. Im Zeitalter der totalen Kommunikation ist ein Rückblick auf die letzten 60 Jahre Telecom vielleicht für den Einen oder die Andere ganz amüsant. Zwei Erkenntnisse vorneweg: 1. Es hat früher auch funktioniert mit Verabredungen oder Geschäftsterminen und 2. heute ist längst nicht alles besser. Lasst mich aber mittendrin anfangen. Am Beginn der kommunikationstechnologischen Neuzeit. 1991.

Ein Donnerstag im Herbst 1991 nach Arbeitsschluss. Ich sitze mit meinen Leuten im Aufenthaltsraum der Agentur, um den Tag aus- und die Nachtschicht einklingen zu lassen. Da poltert unsere Kollegin Tina ganz aufgeregt die Holztreppe runter. «Andy, ich muss Dir dringend was sagen.» Ich so: «Aha, was denn?» Tina: «Ich habe Dir ein gelbes Post-it auf den Computerbildschirm geklebt.» Ich: «So, und was steht da drauf?» Tina: «Dass ich Dir ein Mail geschrieben habe.» Einschub: 1991 konnte man, wenn man ein Apple-Netzwerk hatte, schon intern Mails versenden. Extern kam später. Ich: «Und was steht im Mail?» Tina liess uns alle etwas ratlos zurück: «Ich habe Dir geschrieben, dass ich jetzt nach Hause gehe.» Wir wunderten uns, wieso sie nicht noch einen Telefax oder Telex bemühte.

Für mich bedeutete diese Episode vor mehr als 30 Jahren so etwas wie der Anfang des Informationsschlamassels, in dem wir heute stecken. Konkret stellt sich mir seitdem die Frage: Auf welchem Kommunikationskanal soll wann welche Message verbreitet werden?

 

Natürlich wünsche ich mir nicht die Zeit zurück, als wir noch vierstellige Telefonnummern hatten und erschraken, wenn das Teil fast von der Wand fiel. Meine Mutter dachte jedes Mal, es sei etwas Schreckliches passiert, wenn es klingelte. Und es passierte ja auch immer was. Kennedy wurde erschossen, Martin Luther King ebenso und meine Grossmutter väterlicherseits starb ganz zufällig eines natürlichen Todes. Alles Gründe, wieso meine Eltern regelmässig den Telefonapparat besetzten und meine vier geschlechtsreifen Geschwister davon abhielten, mit ihren Freunden und Freundinnen zu scharwenzeln. Ich war damals noch eher so auf Zuruf unterwegs; «am 8i is Bett machdi» oder «Resi (so nannte mich meine Mutter, wenn sie es gut meinte mit mir – bitte nicht lachen!) heiiiichoooo!!!» rief Mami jeweils aus dem Fenster. Und es funktionierte.

Nach Tina 91 ging dann alles ganz schnell. Schon bald konnte mein Nokia auch simsen. Die E-Mails konnte man auch nach ausserhalb schicken, um die ganze Welt. Zwar musste man noch den richtigen Mime-Code vor dem Senden erfragen und einrichten, aber es war verblüffend, wie minutenschnell Texte von A nach B diffundierten. Mit Bildern ging es noch nicht so flott über das 9.6 Bit-Modem. Aber schon 1995 tauschte ich mich mitten in der Nacht mit Coolio (RIP) und Nastassja Kinski über TV- und Plakatheadlines für die Passugger-Kampagne aus. Und die sassen zu der Zeit am Sunset in L.A.. Auch die ersten Handys mit Kamera sind seit 1992 auf dem Markt. Man hatte noch etwas Mühe mit rumschicken. MMS hiess das Tool. Es war sauteuer und langsam.

Viele dachten, man hätte nun das Ende der Fahnenstange resp. der Telecom-Antenne erreicht, mehr brauche es nicht. Die meisten fanden die Technologie hilfreich und praktisch und mal abgesehen von fehlgeleiteten E-Mails (an den Kunden statt intern) oder falsch verstandenen SMS (160 Zeichen waren halt schon verdammt wenig für eine Liebeserklärung oder zum Schlussmachen) musste sich niemand darüber Gedanken machen, wem wie auf welchem Weg zu kommunizieren sei. Einzig die Netzabdeckung war derart lausig, dass man sich auf nichts wirklich verlassen konnte. «Wo bisch? G’hörschmi?» waren zu der Zeit die meist verwendeten Worte an den Natels.

Meine Kommunikationsprinzipien bis 2008:

«Wenn’s wichtig ist, schreib einen Brief.
Wenn’s nicht wichtig ist, aber dringend, schreib eine SMS, z.B. ‚was get’s z’Nacht?’»

«Wenn’s wichtig ist und dringend, schreib eine E-Mail.
Wenn’s verdammt dringend ist, dann ruf an.»

 

Übrigens: Das Thema Datenschutz war bis zu dem Zeitpunkt keines im privaten Bereich. Auch wenn die Telecom (heute Swisscom) schon beim Natel C ungefähr wusste, wo Du gerade lang fährst.

Das Jahr 2008 war nach Tina 91 der nächste Meilenstein.
Das erste Smartphone «iPhone 1» wurde im Jahr zuvor präsentiert, und wer etwas auf sich hielt, hatte sehr früh eines aus Amerika. Erst damit wurden Social-Media-Plattformen wie das längst vergessene MySpace oder das seit 2006 existierende und heute serbelnde Facebook wirklich relevant. Man tauschte sich aus, hatte zusätzliche Möglichkeiten, Daten rumzuschicken und tat dies auch. Vorwiegend mit Katzenbildern oder grausligen Food-Aufnahmen. Die Übertragungsraten wurden besser und Bildtelefonie (zu Beginn nur Facetime) wurde möglich. Mit WLAN sogar zu erschwinglichen Preisen.

«Netz, WLAN und Akku» wurden ab 2008 lebens- und teilweise überlebenswichtig.

 

Und heute?
Technologisch gesehen sind wir nun sicher am Ende der 5G-Antenne. Besser wird es nicht und Metaverse wird der Milliardenflop des Jahrtausends. Sogar der Zukkihund wird einmal mehr Reichweite haben als der Zuckerberg. Und wenn das nicht stimmt, behaupte ich in ein paar Jahren das Gegenteil.

Fragt sich allerdings, ob es nicht eher notwendig wäre, dass sich mal ein schlaues Hirn etwas ausdenkt, das den Information-Overflow eindämmt. Oder irgendwie bündelt. Es könnte damit die Welt retten. Zumindest meine kleine.

Ich habe zurzeit drei private und neun geschäftliche Mail-Accounts. Vier Instagram-Profile und sieben Facebook-Seiten oder Gruppen, zwei Pinterest-Profile und ein Profil bei Reddit, alle betreue ich mehr oder weniger regelmässig. Ich benutze WhatsApp, Telegram, Signal, TikTok, Vero, Skype, Twitter (noch) und neu auch Mastodon. Ich bin bei Clubhouse, Xing und habe ein zu teures Premium-Abo bei LinkedIn. Nebst meiner NatelC-Handynummer (ich habe tatsächlich immer noch die gleiche), findet man mich auf vier verschiedenen privaten und geschäftlichen Anschlüssen auch via Internettelefonie. Das macht 42 verschiedene Touch-Points, auf der man mich erreichen kann und auf denen ich fast sicher immer antworte. Und ich bin noch nicht mal auf Tinder, Badoo oder sonstigen Anbahnungs-Tools.

Ich habe fünf Online-Print-Titel abonniert und kriege auch regelmässig nette Hinweise von mindestens zehn anderen Apps (Wetter, Banken, SBB, Alibaba, Booking.com, Airbnb, To Good To Go, Uber oder Chess.com). Gut, dass ich dort nicht überall antworten muss.

 

Ich fand das übertrieben viel, als Tim Benzko 2011 sang, er müsse noch 148’713 Mails checken. Heute mach ich das auch, vermutlich gar mehr in einem ganzen Jahr.

 

Fast. Klar, 80 % davon ist beruflich und weitere 80 % nutze ich aus reiner Neugier und mit einem vermutlich überdurchschnittlich hohen, fast narzistischem Mitteilungsbedürfnis. Ich trage selbst die Schuld an dem kommunikativen Tsunami. Aber ein paar Dinge gehen mir trotzdem tierisch auf den Sack. Zum Beispiel relevante, wichtige Geschäftskommunikation auf WhatsApp oder den Sozialen Medien.

Deshalb meine Prinzipien ab sofort:


«Wenn’s nachhaltig wirken soll, schreib einen Brief.
Wenn’s nicht wichtig ist, aber mal gesagt werden muss, schreib eine SMS – oder eine WhatsApp Nachricht (Letztere kostet nix).»

«Wenn’s wichtig ist und dringend, schreib eine E-Mail.
Wenn’s verdammt-dringend ist, dann ruf an.»

«Wenn’s um Business geht, dann Xing, LinkedIn oder eine meiner Marken-Insta- oder FB-Seiten, aber nur zum Kontakt aufnehmen, um z.B. einen Termin auszumachen.»

«Wenn Ihr mich sehen, aber nicht fühlen möchtet, Facetime oder WhatsApp.
Wenn Ihr mit mir eine Zigarre rauchen möchtet: Kommt vorbei.»

«Wenn Ihr was von mir kaufen möchtet. Unter hostaulac.ch findet Ihr alles über mich.»

 


Ich habe keine Ahnung, wie Ihr das so handhabt mit dem Informationschaos, aber spannend wäre es schon, in der Kommentarspalte ein paar Feedbacks zu erhalten.

Ach, fast hätte ich es vergessen: Um genügend Backlinks für unsere eShops zu erhalten, bin ich auf dutzenden Blogs regelmässiger Kommentator. Und aus Respekt vor den Schreibenden gebe ich Feedback auf die Antworten. Meistens.

Muss nur noch kurz die Welt retten.

Hansdampf in allen Gassen und am See. In einer eher kleinen Stadt im Aargau aufgewachsen, lebe ich nun nach meiner Flucht via die grosse Stadt am Zürichsee in «Ermatingen. Dem langweiligsten Ferienort der Schweiz». Verzeiht, aber es gefällt mir hier, unter anderem deshalb, weil es nur 45 Minuten weg von Zürich liegt.

Man hatte mich in der Metropole für verrückt erklärt, dass ich meine Karriere als Werbefuzzi an den Nagel hänge, um mit meiner Frau ein Hotel am Bodensee zu eröffnen. Man hält mich aber auch in Ermatingen immer noch für einen Spinner, weil ich dem Dorf den Slogan siehe oben verpasste. Nun; hätten sie mich eben nicht in den Vorstand des Tourismusvereins wählen sollen.

Ein wenig stolz waren sie allerdings, dass meine Erfindung, das «Panorama Knife», hier geboren wurde – unter uns: auf dem Weg nach Zürich. Neun Jahre Hotel und parallel neun Jahre Messer waren dann für meine Frau und mich genug Grund, eine Auszeit zu nehmen.

Um dann ab Mitte 2020 in neue Projekte zu investieren. Heute kümmert sich unsere Familie um drei KMUs, nähere Infos dazu gibt es unter www.hostaulac.ch.

Ich werde also genug Stoff für meine Blogs finden. Auch dass man sich im Alter von 50 oder gar 60 Jahren durchaus komplett neu erfinden darf.

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