Nichtgrau - Eine Generation mitten im Leben.

Nichtgrau – Eine Generation mitten im Leben.

Meine Tochter weiss genau, womit sie mir eine Freude machen kann. Dieses Jahr lag für mich unter dem Weihnachtsbaum eine Einladung nach Wien – zum Salon nichtgrau in der Casalunga. Und passend dazu das Buch «nichtgrau – Eine Generation mitten im Leben.». Dieses Buch entzückt mich schon allein wegen seiner sinnlichen Aufmachung: Das schwere Papier, das farbige Cover, die Porträts von Fotograf Wolfgang Bledl, das Layout.
Andrea Casapicola und Brigitte Lendl erzählen die Geschichten von 26 spannenden Persönlichkeiten der Generation 50+ tätig in den Bereichen Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft, Medizin, Gastronomie oder Medien, von deren Verhältnis zu ihrer Vergangenheit, ihrer Zukunft und zur «tickenden Uhr». Von ihren Plänen, ihren Ängsten, ihren Leidenschaften und ihren Ideen zu einer generationenübergreifenden Gesellschaft. Ich tauche ein in Lebensgeschichten, Gedanken und Vorstellungen inspirierender Menschen. Zwei von ihnen möchte ich Euch gerne vorstellen.

Susanne Stuppacher: Künstlerin oder Managerin? Ich bin beides.
Susanne wusste schon sehr früh in ihrem Leben, wer und was sie sein wollte: Künstlerin. Sie absolvierte eine Textilausbildung zur Designerin, studierte in Wien an der Akademie für angewandte Kunst und malte grossflächige Bilder. Und dann erwartete sie Zwillinge. Da war sie 26. Auf den Vater der Kinder konnte sie sich nicht verlassen. Geld musste her. Also wechselte sie die Welten. Begab sich in die Wirtschaft und legte eine beeindruckende Karriere in der Kinobranche hin. Susanne:

«Der Künstlerin den Rücken zu kehren und mich zur Managerin zu entwickeln, hat in mir viel verändert. Diese beiden Welten sind komplett verschieden. Die Welt der sogenannten Realität, sprich die Welt der Wirtschaft, ist besser erklärbar und die mächtigere Seite, die von allen gesehen und anerkannt wird. In dieser Welt ist die Künstlerin weniger wert.»

Susanne empfand ihre Tätigkeit als sehr bereichernd. Sich völlig identifizieren mit ihrer Rolle konnte und wollte Susanne sich jedoch nie. Deshalb sorgte sie auch in all den Jahren dafür, dass trotz Kinder und Beruf auch immer noch ein wenig Raum blieb für ihre künstlerischen Leidenschaften.
Und so beschloss Susanne vor einiger Zeit, eine dritte Karriere als Grafikerin und Designerin zu starten. Susanne:

«Ich habe meine grafisch digitalen Skills in all den Jahren so vertieft und verfeinert, dass ich – ohne ein Karriereziel zu verfolgen – einfach richtig gut geworden bin.»

Sinan Gültekin: Ich bin ein gebrauchter Mensch.
Sinan Gültekin arbeitet als Maler und Bildhauer und initiiert weltweit künstlerische Projekte. 1960 geboren in der Westtürkei besuchte er zunächst das Berufsgymnasium in Ödemis und erlernte neben der gymnasialen Ausbildung den Beruf des Elektrikers. Im Sommer formte er am Strand Skulpturen aus Sand. Ein Cousin wurde auf ihn aufmerksam. Es folgten Kunst- und Lehramtsstudien in Istanbul und Izmir, später dann in Wien, meistens finanziert durch seinen Beruf als Elektriker. Sein künstlerischer Weg ist vielfältig. 1999 praktizierte er vier Monate in den Opernwerkstätten in der bildhauerischen Abteilung. Dies eröffnete ihm die Möglichkeit, bei der Gründung der Oper in Antalya im Jahr 2000 am Bühnenbild mitzuwirken. Derzeit geht Sinan seinen Lehrtätigkeiten nach, betreibt eine Sommerakademie, gibt Privatunterricht im Zeichnen und reist in andere Länder für Projekte mit internationalen Künstlern. Sinan versteht sich als Weltenbürger – und als Förderer von Kunst und Talenten in allen Winkeln der Erde. Seine Motivation?

«Ich hatte immer wieder Freunde, die mich förderten und wie zweite Väter zu mir waren. Das gebe ich nun an andere weiter. Das ist menschliche Würde. Ohne anderen zu helfen, hätte das Leben für mich keinen Sinn.»

Zwei Menschen – zwei Geschichten. Was sie zeigen: Unsere Generation ist alles andere als grau. Viel mehr schillert sie in allen Farben, steht mitten im Leben, erfindet sich auch mit 50+ immer wieder neu und hat in jedem Fall viel zu erzählen. «nichtgrau – Eine Generation mitten im Leben.» ist ein Buch, das zu lesen Freude macht und ermutigt, sich auf die zweite Lebenshälfte neugierig einzulassen.

Links:

Hier geht’s zur Website von nichtgrau. Vielleicht sehen wir uns in der Casalunga?
Casapicola, Andrea; Lendl, Brigitte; Bledl, Wolfgang (Hrsg): nichtgrau – Eine Generation mitten im Leben. Cerznin Verlag, Wien 2020.

Mein erster Lebens- und Bildungsweg führte mich von meinem kleinen Eifeldorf bis zur Kreisstadt. Mit 19 war ich ausgebildete Bankkauffrau – ich war am Ziel meiner beruflichen Träume angekommen! Doch da war so eine Sehnsucht in mir, eine Sehnsucht nach Lernen und Denken und Erfüllung.
Auf dem Köln-Kolleg holte ich mein Abitur nach. Neben der Schule zog ich durch Museen, gab mein ganzes Geld für Theater-, Ballett-, Konzertbesuche aus und lernte jede Menge aufregender Leute kennen. Weiter ging's nach München zum BWL-Studium. Erster Job in einer Unternehmensberatung.
9 Jahre später, verheiratet, Mutter einer 12 Monate alten Tochter, nach der Elternzeit den Job verloren, und wie von Zauberhand fand ich mich in einem Konzern wieder. Zweites Kind, Scheidung, alleinerziehend. Ein Wimpernschlag später: die Kinder aus dem Haus, den Job im Griff. Zeit, einen Gang zurückzuschalten. Oder ein Philosophiestudium zu beginnen.
Und so wandle ich derzeit auf dem dritten Bildungs- und Lebensweg. Manchmal hadernd ob der Kürze der Zeitspanne, die noch vor mir liegt. Manchmal zornig, wenn ich mal wieder die unsichtbare Altersdiskriminierung spüre. Und immer wieder neugierig, was mir diese spannende Phase von Mitte 50 bis Mitte 60 noch alles bringen wird. Darüber möchte ich schreiben. Meine Geschichten sollen eine Brücke bauen vom Ich zum Du, sie sollen Impulse geben, neue Perspektiven aufzeigen und zum Debattieren anregen.

Anja Gild sagt:

Es ist immer wieder fantastisch zu sehen, wie Menschen ihr Leben aktiv gestalten und neue Wege gehen. Könnte ich stundenlang lesen und sammeln. Inspiriert, macht Mut und zeigt die Stärke einer Generation, die Mitten im Leben steht – mit all ihren Erfahrungen, all ihrer Kraft und ihrem Mut. Danke für diesen Buch-Tipp, Gerda-Marie.
Übrigens sammelt eine Kollegin und Freundin von mir, Monika Ziegler von Kulturvision e.V., genau solche Menschen und Biografien. Sie nennt ihre Initiative „Spurwechsel“, zu finden auf https://www.kulturvision-aktuell.de/spurwechsel/ – wobei hier auch Männer und Frauen jüngeren Alters dabei sein können. Sie selbst gehört auch zu den Spurwechsler*innen… .

Andrea und Brigitte sagt:

Liebe Gerda-Marie,
herzlichen Dank für deinen super Bericht über unser Buch. Es freut uns sehr, dass es bei dir so viel Zuspruch gefunden hat. Die „nichtgraue“ Generation hat wahrlich noch viel zu sagen und du hast von unseren 26 Buchgästen wirklich 2 spannende ausgesucht.
Liebe Grüße aus Wien von Andrea und Brigitte

Susanne Stuppacher sagt:

Vielen Dank für die Erwähnung in Deinem Blog.

Finde es toll, dass es dieses Magazin gibt bzw. das Thema eine anspruchsvolle Umsetzung findet.

Mir ist wichtig zu ergänzen, dass wir immer auf dem Rücken & den mutigen Taten der vorigen Generationen erwachsen & dann einfach in die jeweilige Zeit hineingeboren werden.

Aber natürlich haben wir jede Menge Gestaltungsanteil- & Freiheit, um etwas daraus zu machen. Was immer diesen individuellen Lebensweg auch beeinflusst, ich hatte das Glück von Natur aus unkonventionell & mutig zu sein, das Leben als dauernde Veränderung & Entwicklungsmöglichkeit zu begrüßen & nie den einfachen Weg zu wählen.
Und so habe ich mich voll Begeisterung in die Dinge hineingestürzt, bin damit gewachsen und habe dabei tiefe, bereichernde Lebenserfahrungen gemacht. Je länger ich lebe, desto mehr erfüllt mich & schätze ich dieses Erfahrungswissen.

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