Patientenverfügung
Schon wieder eine. Schon vor Corona haben mich verschiedene Bekannte, Freunde und Familienmitglieder gefragt, ob sie mich als Vertrauensperson angeben dürfen. Corona erinnert uns an die Endlichkeit des Lebens; vielleicht führt es auch darum zu so heftigen Reaktionen. Wenn ein geliebter Mensch erwartet oder plötzlich stirbt, kommt uns ebenfalls der Gedanke, dass es für uns selber einmal zu Ende gehen wird. Die Diskussion mit den Angehörigen zum Thema ist manchmal sehr schwierig. Wie ich bestattet werden will, geht ja noch. Urne unter einem Baum vergraben oder die Asche an einem Lieblingsort verstreuen, hat etwas tröstliches und auch romantisches. Tot ist tot. Tot ist endgültig. Tot ist vorbei. Damit kommen wir besser klar. Aber sterben? Die Einsamkeit der Sterbenden in den Intensivstationen, den Alters- und Pflegeheimen ist niederschmetternd. Die Vorstellung, abgeschoben, allein, verängstigt und eventuell mit massiven Schmerzen zu sterben, über lange Zeit das Unabänderliche aushalten zu müssen ohne Trost und ohne Beistand, zerreisst uns das Herz. Das wünschen wir niemandem. Und so müssen wir uns den Fragen stellen, was wir uns für unser eigenes Sterben wünschen: Wie weit die Fachhelfer gehen sollen, wenn es zu Ende gehen könnte – denn sicher ist es nie. Wie viel wir bestimmen wollen, um unseren Angehörigen die Verantwortung abzunehmen.
Ich kenne die Situation, in der jemand keine Auskunft mehr geben kann und ich entscheiden muss. Ich habe mehrfach erlebt, wie es ist, wenn die medizinischen Fachhelfer zu einer Behandlung drängen, weil es das Leiden vermindert (aber vielleicht auch nur verlängert). Wie man als herzlose Person behandelt wird, obwohl man nur die Wünsche des Patienten durchzusetzen versucht. Ich weiss, wie viel einfacher es ist, einfach alles machen zu lassen. Ich kenne die nagenden Gedanken, ob man an unnötigen Schmerzen, am frühen Tod, an vermeidbarem Leid Schuld trägt. Ich weiss, dass man keine dieser Fragen je mit Sicherheit wird beantworten können. Doch wenn ich mit meinem jetzigen Wissen eine Entscheidung fälle, kann ich zumindest sagen, dass es meine Entscheidung basierend auf meinem jetzigen Wissensstand ist. Dieser Entscheidung soll Respekt entgegen gebracht werden. Genauso wie mir als Person.
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