Positiv ist negativ ist positiv.

Positiv ist negativ ist positiv.

Kann sich noch jemand an den Film «Groundhog Day» (Und täglich grüsst das Murmeltier) mit Bill Murray und Andie MacDowell erinnern? 1993. Obwohl Andie MacDowell in dem Film die meiste Zeit eine zugeknöpfte weisse Bluse trägt und darüber eine ebenfalls zugeknöpfte Weste, die verstörenderweise genau dasselbe Muster aufweist, wie das Biedermeiersofa meiner Grossmutter, ist sie ganz entzückend in dem Film. Und Bill Murray ist sowieso mein Held, vor allem wenn er den abgeklärten Zyniker mimt.
Für die, die den Film nicht kennen: Bill Murray spielt den snobistischen Misanthropen Phil, der in eine Zeitschlaufe gerät und zwar genau am Groundhog Day in einem Provinznest namens Punxsutawney. (Wie man das schreibt, wusste ich nicht mehr, aber der Name ist mir geblieben. Ich hätte eines meiner Kinder so taufen sollen, dann könnte ich mir wenigsten einen ihrer Namen merken). Er ist dazu verdammt, den ihm verhassten Tag immer und immer wieder aufs Neue zu erleben, bis er nach hunderten von Tagen ein so guter und freundlicher Mensch ist, dass Andie MacDowell die Seine wird. Frauen galten 1993 offenbar als Belohnung für geläuterte Männer, aber ich will jetzt mal nicht so sein. Der Film verfügt über eine solide Moral und ist zum Schreien komisch.
Weniger lustig ist das Gefühl, das mich immer mal wieder beschleicht, ich sei ebenfalls in einer Zeitschlaufe gefangen. Nur kann ich ihr nicht entkommen, weil ich bereits ein guter und freundlicher Mensch bin und auch nicht die Möglichkeit habe, Andie MacDowell zu beeindrucken. So stecke ich meistens fest ohne Plan. Gerade jetzt geht es mir so. Leider gibt es nichts zu lachen.
Bin ich nicht schon gestern und vorgestern und vorvorgestern und überhaupt in letzter Zeit auf diesem Sofa gesessen, vor diesem TV, in diesem Wohnzimmer und habe den Abend auf diese Weise verbracht? Immer und immer wieder. Haben wir uns nicht eben erst getestet und getestet und getestet. Und geimpft und geimpft und jetzt wieder geimpft? Positiv ist negativ ist positiv. Und habe ich diesen Satz nicht schon einmal geschrieben und geschrieben und geschrieben?
Man könnte das eine Depression nennen. Damit wäre ich wohl weniger einsam, als gefangen in einer Zeitschlaufe. Man könnte sagen, ich übertreibe und ich sei negativ. Man sagt mir gerne, ich sei immer so negativ. Ich finde eher, ich bin immer so realistisch. Aber negativ tönt in Zeiten wie diesen ganz ordentlich. Und ja, ich übertreibe. TV gucken auf dem Sofa ist ja eigentlich ganz gemütlich. Meistens schlafe ich allerdings dabei ein und wache erst Stunden später total zerknittert und desorientiert wieder auf.

Am meisten nervt mich an dieser ganzen Corona-Geschichte die Namensgebung des Virus. Der sieht überhaupt nicht aus wie eine Sonnen-Corona, eher wie eine Pusteblume! Und nur weil ein nerdiger Wissenschaftler in seiner Kindheit nie auf einer Wiese spielen durfte, klebt nun meinem Lieblingsbier das Stigma einer Pandemie am Flaschenhals.
Ich frage mich schon lange, wer eigentlich die Namen der Krankheiten und der Arzneimittel textet. Kann man das studieren und mit einem Master abschliessen? Oder unterliegt die Namensgebung purer Willkür? Wer ist zum Beispiel verantwortlich für den Namen «Tamiflu»? Hat sich da ein Wissenschaftler tierisch geärgert, weil nach dem Tod sämtlicher Versuchs-Mäuse sonnen-corona-klar war, dass das Mittel wirkungslos ist? Und dann hat er geschrien: «Tamisiech! Das bringen wir trotzdem raus!» Voilà: Tamiflu! So unlogisch ist diese Herleitung gar nicht: Denn wer seine Flu mit Tamiflu zu kurieren versucht, ist bald ein Siechender.
Nun sind wir bei Omikron angelangt, was dem griechischen Alphabet entsprungen ist. Das hat System, auch wenn mich dünkt, da seien ein paar Buchstaben übersprungen worden. Vielleicht habe ich die aber auch vor dem TV verpennt.
Letzthin erläuterte ein Wissenschaftler in einer Sendung die neusten Erkenntnisse über Omikron auf sachliche Art und Weise. Und am Schluss fügte er seinen Ausführungen recht emotional hinzu, dass wir in der Schweiz unglaublich privilegiert seien, weil wir genügend Impfstoff haben und ein funktionierendes Gesundheitssystem. Wir sind sogar so privilegiert, dass wir uns trotz vorhandenem Impfstoff dazu entscheiden können, uns nicht impfen zu lassen. Und wenn wir dann trotz wunderbarem Immunsystem und Globuli im Notfall landen, dürfen wir kurz vor dem Intubieren noch «Diktatur» schreien und können trotzdem damit rechnen, gerettet zu werden.
Tamiflu! Geht mir das Gejammer in der Schweiz auf die Nerven! Ich gehe mit gutem Beispiel voran und will von jetzt an ganz positiv sein. Gilt mein Zertifikat jetzt noch?

Ich bin in Wettswil a./A. geboren, mitten in die Mittelschicht hinein und verbrachte eine behütete Kindheit auf dem Dorfe. Als pubertierende Gymnasiastin fabulierte ich gerne über die Fesseln des Kapitalismus und die Freiheit des Kommunismus, während ich mich träge am Rande des elterlichen Swimming-Pools räkelte. Nach der Matur und dem obligaten Sprachaufenthalt folgte ein Psychologiestudium. Nebenbei kellnerte ich und war vermutlich die schlechteste Bedienung der ganzen Stadt. Was aber in den 80-er Jahren total egal war, Hauptsache man trug wasserstoffblonde Haare. Die nächsten 20 Jahre verbrachte ich in der Werbung als Grafikerin und Illustratorin, bis ich unbedingt etwas ganz anderes machen musste. Kinder, zwei. Zusätzlich machte ich eine Ausbildung zur Maltherapeutin und eröffnete ein Malatelier für Kinder. Ich habe Zeit meines Lebens geschrieben. Als letztes für Giacobbo/Müller, SRF Comedy und als Kolumnistin für verschiedene Publikationen. Ich lebe mit meinen beiden Töchtern und einer sehr dicken Katze in Zürich. Ein gewisser Hang zur Ironie des Lebens ist mir aus den Tagen am Pool geblieben, auch wenn ich es heute um einiges leichter und mit viel mehr Humor nehme als damals.

Nikki sagt:

Also ich fand Dich eine gute Kellnerin!

Simone Liedtke sagt:

Aber nur, weil ich wasserstoffblond war.

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