To do or not to do. Das Dilemma eines Veranstalters.

To do or not to do.

Man darf wieder Veranstaltungen organisieren – aber soll man auch? Ein COVID-19 Dilemma.

Begonnen hat alles mit einer Furzidee.
Seit 20 Jahren veranstalte und programmiere ich die Veranstaltungsreihe «Märli am See». Als mich im 2000 die Macher der Seebad Enge nach einer Programmidee fragten, musste ich nicht lange überlegen. Damals veranstaltete ich mit meiner Kulturagentur «swissandfamous» popkulturelle Lesungen an aussergewöhnlichen Orten und wurde vom Publikum förmlich überrannt.

Wieso nicht mal das Märchengenre etwas entstauben? Alte Märli neu und für ein erwachsenes Publikum interpretieren, neue Märli schreiben – dabei modern bleiben, frech sein und gerne auch mal anzüglich. Und lachen sollte man können.

Ich wusste sofort, dass das Seebad Enge der perfekte Austragungsort war für dieses frische Format, und die Macher fanden die Idee lustig. Also begann ich, ein erstes Programm zusammenzustellen. Das war vom ersten Tag an illuster: Moritz Leuenberger war dabei wie auch Patrick Frey, Beat Schlatter, Reeto von Gunten, Trudi Gerster, Pedro Lenz, Simon Enzler, Kafi Freitag, Tom Kummer, Jürg Halter, Monika Schärer, Eva Wannenmacher, Arno Camenisch, Endo Anaconda, Timmermahn oder Frank Baumann – um nur einige zu nennen. Mit dabei waren immer auch bekannte oder aufstrebende Musiker, die das Leseprogramm untermalten. Inwzischen sind die «Märli am See» fester Bestandteil des Zürcher Spätsommers.

Ein tolles Programm bedeutet dieser Tage aber nicht zwingend ein volles Publikum.
Schon im Frühling war mir überhaupt nicht klar, ob ich die 20. Ausgabe veranstalten soll. Das Corona-Virus war omnipräsent und überhaupt nicht absehbar. Ich habe das Programm zwar zusammengestellt und die Veranstaltungstage im Seebad Enge reserviert, danach haben wir aber alle abgewartet, wie sich die Situation verändert. Niemand konnte uns die Entscheidung abnehmen. Die vorgegebenen Sicherheitsvorkehrungen vom BAG konnten wir einhalten, da wir eine Veranstaltung unter 300 Personen sind. Mir war aber klar, dass ich weniger Personen zulassen wollte, damit sich das Publikum wohl fühlt. Aber wie finanziere ich den Ausfall? Sponsoren finden sich zur Zeit nicht leicht und mein Line-up ist zu populär, als dass ich von einer Stiftung Fördergelder erhalten würde. Ich sah mich also gezwungen, die Ticketpreise zu erhöhen, um kein Defizit zu schreiben. Aber ist das Publikum gewillt, mehr zu bezahlen und geht es überhaupt an Kulturveranstaltungen?

Die Gesellschaft braucht Kultur.
Wir alle wollen reflektieren können, uns inspirieren lassen, abschalten, um uns für kurze Zeit in eine andere Welt zu versetzen – weg vom Alltagsstress und den anspruchsvollen Problemen dieser Zeit. Kulturkonsumation ist immer auch ein sozialer Akt. Und was auch sicher ist: Kultur ist in einer privaten, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Krise, in der wir gerade stecken, noch viel wichtiger, als wenn alles rund läuft. Deshalb habe ich mich schlussendlich entschieden, die «Märli am See» auch diesen Spätsommer 2020 zu veranstalten. Ob ich die Kosten decken kann, weiss ich 6 Tage vor dem ersten Abend noch immer nicht. Eines weiss ich aber: Nämlich, dass es wiederum unvergesslich wird. Und dass die Besucher alle mit einem etwas fröhlicheren und leichteren Herzen und mit einem Lächeln im Gesicht nach Hause fahren werden. Auch wenn man dies wegen des Mundschutzes weniger offensichtlich sehen wird.

Als Kulturveranstalterin ist dies zwar nicht Lohn genug, aber es ist die Motivation, die mich immer wieder weitermachen lässt – Pandemie hin oder her.

https://www.maerlifuererwachsene.ch/

 

In einem 200 Seelen Dorf im Berner Oberland aufgewachsen, zog es mich immer schon in die weite Welt hinaus. Gearbeitet habe ich dann 21 Monate in New Delhi, einige Monate in Wien, Stuttgart und Genf, war on and off immer wieder in der Schweizer Hauptstadt zuhause und weilte auch länger in Texas und Paris. Dass ich nun aber doch schon fast die Hälfte meines Lebens in Zürich verbringe, hätte ich als junges Mädchen nie für möglich gehalten, denn ich fand Zürcher insgesamt zu arrogant und gleichzeitig zu provinziell. In Zürich aber habe ich mich selbständig gemacht, gründete die unterschiedlichsten Firmen, konnte meine Leidenschaft zum Beruf machen, wurde Mutter, war einmal im Scheidungsgericht und mehrmals im Fernsehen. Ich habe Fails initiiert und Erfolgreiches, gab als Nicht-Akademikerin Unterricht an Fachhochschulen und bin mittlerweile Profi im Umziehen, denn ich tat dies ganze 12mal (privat und geschäftlich) in dieser Stadt. Ich bin eine Optimistin und mag es nicht, wenn Menschen nörgeln und nichts dagegen tun. Mit Literatur und der ironischen Namensgebung «swissandfamous» hat mein unabhängiges Unternehmertum angefangen. Danach folgte die Crowd-Realität mit wemakeit und emotional Storytelling mit letsmuseeum. Dazwischen gab es noch so einiges das ich angepackt, initiert und umgesetzt habe. Mal erfolgreich, mal weniger. Ich bin gespannt, was noch so alles auf mich wartet. Ich bin ja erst 48, da steht einem die Welt noch offen, oder? Das sagen jedenfalls alle Ü50er, und die sollten es ja wissen.

Lisa Feldmann sagt:

Grossartig, liebe Rea, klingt spannend!

Rea sagt:

Danke Lisa! Von dir ist ein Kompliment ein doppeltes Kompliment:-)

Cecile Duenner sagt:

Da kann ich nur gratulieren, das Du der Pandemie trotzt, bravo! Ich wünsche Dir und dem ganzen Team weiterhin viel Mut und vor allem Erfolg!!

Rea sagt:

Danke Cécile. Es war gut haben wir es durchgezogen. Das Publikum wie auch die Künstler waren sehr dankbar. Und wir haben es grad geschafft, die Drittkosten zu decken. Uff!

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