Lucerne revisited

Lucerne revisited

Luzern zu erleben ohne ganze Scharen von Touristen aus dem Westen und Osten, ist eine Wohltat, obwohl doch auch hie und da die Swissness nicht ganz ignoriert werden kann. Ich habe noch nie so viele verschiedene Alphorn-Ensembles in den Strassen gehört wie in den zwei Tagen in Luzern – und das bei eisigen Temperaturen.

Altes neu entdecken hat seinen eigenen Charme
Wie auch mein Sohn war ich das erste Mal dank einem Schulausflug in Luzern. Danach immer mal wieder, meist beruflich oder aber mit Kindern, denn Luzern ist für letztere eine wahre Erlebnisstadt. Das letzte Mal in Luzern, also seit 15 Jahren das erste Mal nicht mit Familie oder als Geschäftsfrau, war ich vor ein paar Tagen. Mein Freund schenkte mir zum Geburtstag ein Luzern-Wochenende. In Quarantänezeiten freut man sich ja überschwänglich über eine Reise, auch wenn die Destination weniger als eine Stunde entfernt ist. Und durch das ewige Zuhause sitzen mit Kind und Kegel, tut ein solcher Tapetenwechsel einfach schon mal per se sehr gut. Dieses Mal aber entdeckte ich Luzern aus einer ganz anderen Perspektive: Weg von Tourismusstrom, Verkehrshaus und Spiegelgarten.

Was ich in diesen beiden Tagen in Luzern neu entdeckt habe ist: die Muse!
Gemächlich und gemeinsam die Zeit geniessen und sich dabei von allem möglichen inspirieren lassen. Das geht nur, wenn man sich nicht zuviel oder gar nichts vorgenommen hat. Und da wir eher «Let it flow» Typen sind, haben wir ganz unverhofft einige Highlights erleben dürfen – zum Beispiel ein perfektes Whiskey Tasting in der Hotelbar mit der grössten Whiskey-Auswahl der Schweiz. Dabei habe ich den goldenen Tropfen gefunden, der mich bis ins Alter begleiten wird, gebraut in den Highlands von Scotland. Auch habe ich in der unendlichen Weite der Angela Rosengart Sammlung mein absolutes Lieblings-Picasso-Kunstwerk gefunden. Ich habe die Gemälde zwar nicht gezählt, aber es sind so viele, dass ich danach mit einer richtigen Picasso-Überdosis aus dem Museum torkelte und plötzlich in einem wirklich gemütlichen und inspirierenden Kaffee landete, mit der wohl besten Schale, die ich seit langem trank. Und als wir einen Überraschungshalt, heimlich geplant von meinem Freund, beim Bummeln in einem versteckten Plattenladen in der Altstadt machten, fand ich alte, schon fast vergessene David Bowie Schallplatten, die ich nun zuhause viel intensiver höre, als ich dies auf Spotify je tun würde. Und für einen kleinen Nostalgiemoment machten wir einen Abstecher in das alteingesessene Restaurant Galliker, in dem ich vor rund 15 Jahren mit einer Horde Peugeot-Verkaufsleiter, für die ich in Luzern einen Event auf die Beine stellte, einen lustigen Abend erlebte.  Das Schöne dabei ist, dass sich der Galliker kein bisschen verändert hat. Er ist quasi stehengeblieben, schon vor langer Zeit, und war genauso, wie ich ihn in Erinnerung hatte: rustikal, freundlich, grosszügig, urchig und lecker.

Ein Ausflug wie dieser, ohne Programm und Absichten, kommt einem vor wie eine Woche Ferien. Erholung ist garantiert, auch wenn es sich nur um zwei Tage handelt. Luzern ist toll! Trotz Postkartensujet, Alphörner in den Strassen und vielen, heute leeren, Souvenirshops und Bijouterieläden, die sich aneinanderreihen wie nirgendwo sonst.

 

Meine Tipps

Das Hotel des Balances, ehemals Hotel Waage, war früher ein Zunfthaus und Gerichtssaal, bevor es unmittelbar neben der Reuss und in der Fussgängerzone Gäste beherbergte. Man fühlt sich wohl in den Zimmern mit Balkon und Sicht auf das Wahrzeichen Luzerns und willkommen in der Hotellobby mit Chéminée und sehr nettem Personal.

Restaurant Galliker ist ein Klassiker währschafter guter Küche. Man fühlt sich sofort wohl, die Teller sind üppig, die Speisen traditionell, die Gäste unkompliziert, die Stimmung gelassen und die Bedienung trotz etwas älteren Semesters nicht minder fit und freundlich. Und erst jetzt, beim Verlinken dieses Textes, lese ich, dass es sich um eine Gault&Millau Küche handelt.

Das grösste Whiskeysortiment findet man in der Louis Bar im Art Deco Hotel Luzern. Zuerst ist man mit der Karte, die man extra bestellen muss, komplett überfordert. Jeder der 130 Whiskeybeschreibungen hört sich an wie ein kleines Geschmacksabenteuer. Zum Glück hilft der beflissene Barkeeper mit der richtigen Auswahl auf Basis der eigenen Präferenzen. Zwei Stunden und 2cl von drei verschiedenen Whiskeys später wussten wir beide, welche Flasche wir zuhause bestellen werden. Die Empfehlungen waren perfekt.

Die Sammlung Rosengart ist beachtlich, wenn man bedenkt, dass sie von nur einer Person, von Angela Rosengart, stammt. Man staune über drei Etagen, die voll sind mit den grössten Namen, die die Kunst zu bieten hat. Nebst den sechs Portraits, die Picasso von Angela Rosengart angefertigt hatte (Die Familie Rosengart war eng befreundet mit dem in Cannes arbeitenden Künstler), kriegt man nicht genug von Picassos Werken, die 1.5 Etagen des Museums schmücken. Eine ganze Etage ist auch Paul Klee gewidmet; es hat für meinen Geschmack einige tolle Werke darunter, die ich sofort mitgenommen hätte, was ich nicht oft sagen kann, denn ich bin nicht sein grösster Fan. Mir haben vor allem die frühen Werke, seine schalkhaften Illustrationen, gefallen, die ausgestellt sind.

Der Inhaber des Old Town Record Store hat an diesem Samstag die Ladentüre sicherlich mit einem Lächeln geschlossen, denn wir gingen vollgepackt mit zwei vollen Taschen Richtung Hotel weiter. Der Laden hat eine tolle Auswahl an Schallplatten aus allen Jahrzehnten mit Schwerpunkt Blues, Rock, Pop und irgendwo nahm ich noch eine Heavy Metal Ecke wahr. Man könnte stundenlang stöbern, doch irgendwann muss man sich entscheiden, was man denn nun nach Hause nehmen möchte. Zu finden ist der gut sortierte Laden in der Fussgängerzone, ums Eck, rauf die Stiege bis zum Seiteneingang und hoch die Treppe.

In einem 200 Seelen Dorf im Berner Oberland aufgewachsen, zog es mich immer schon in die weite Welt hinaus. Gearbeitet habe ich dann 21 Monate in New Delhi, einige Monate in Wien, Stuttgart und Genf, war on and off immer wieder in der Schweizer Hauptstadt zuhause und weilte auch länger in Texas und Paris. Dass ich nun aber doch schon fast die Hälfte meines Lebens in Zürich verbringe, hätte ich als junges Mädchen nie für möglich gehalten, denn ich fand Zürcher insgesamt zu arrogant und gleichzeitig zu provinziell. In Zürich aber habe ich mich selbständig gemacht, gründete die unterschiedlichsten Firmen, konnte meine Leidenschaft zum Beruf machen, wurde Mutter, war einmal im Scheidungsgericht und mehrmals im Fernsehen. Ich habe Fails initiiert und Erfolgreiches, gab als Nicht-Akademikerin Unterricht an Fachhochschulen und bin mittlerweile Profi im Umziehen, denn ich tat dies ganze 12mal (privat und geschäftlich) in dieser Stadt. Ich bin eine Optimistin und mag es nicht, wenn Menschen nörgeln und nichts dagegen tun. Mit Literatur und der ironischen Namensgebung «swissandfamous» hat mein unabhängiges Unternehmertum angefangen. Danach folgte die Crowd-Realität mit wemakeit und emotional Storytelling mit letsmuseeum. Dazwischen gab es noch so einiges das ich angepackt, initiert und umgesetzt habe. Mal erfolgreich, mal weniger. Ich bin gespannt, was noch so alles auf mich wartet. Ich bin ja erst 48, da steht einem die Welt noch offen, oder? Das sagen jedenfalls alle Ü50er, und die sollten es ja wissen.

Uta Kenter sagt:

Dein Text inspiriert mich grad zu einem Wochenende in der Nähe. Und erinnert mich an eins vor 10 Jahren, ebenfalls in Luzern, auf das ich mich nur zögernd eingelassen hatte. Mit dem Kerl bin ich heute verheiratet😍

Rea sagt:

Das musst du mir mal noch im Detail erzählen, liebe Uta!

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