Mit den Ohren sehend in Bern

Mit den Ohren sehend in Bern

Letzthin durfte ich mittels Juryeinsitz mitentscheiden, welche drei ZHdK Projekte vom Z-Kubator gefördert werden. Dabei war auch die Projektidee «Batvision», welche dir mittels VR-Brille die Welt der Fledermaus eröffnet, basierend auf dem Konzept der Echolokalisierung. Man sieht nur, wenn man ruft. Denn auch die Fledermäuse schicken durch Rufe permanent Ultraschallwellen in ihre Umgebung. Stossen sie dabei an ein Objekt, werden sie reflektiert. Die Fledermaus fängt diese Reflektion ein und kann anhand der benötigten Zeit berechnen, wie weit besagtes Objekt entfernt ist und, wenn es ein Lebewesen ist, in welche Richtung es sich mit welcher Geschwindigkeit bewegt. Das alles geschieht tausendfach in Bruchteilen von Sekunden. Je näher das Objekt, desto mehr Rufe werden ausgesendet. Das können schon mal 200 Rufe pro Sekunde sein. Hört sich faszinierend an, live aber ist es ohrenbetäubend.

Ab ins Papiliorama.
Als ich das Projekt studierte, das dann auch einen Preis gewann, dachte ich unweigerlich und mit einem gewissen Schmunzeln an ein Erlebnis im Papiliorama zurück. Wie es der Name schon sagt, ist dieser Freizeitort für Familien den Schmetterlingen gewidmet. Aber nicht der Erlebnisraum mit Tausenden von exotischen und farbigen Schmetterlingen, die im Tropengarten poetisch in der Luft tanzen und einen mittendrin in einen Rausch der Leichtigkeit versetzen, war das Highlight dieses Tagesausflugs, sondern das Nocturama.

Adrenalinschub in Kerzers?
Damit hatte nun wirklich niemand gerechnet. Ein abgedunkelter Raum versetzt den Besucher in eine Vollmondstimmung. Mein Sohn und ich zusammen mit meiner Freundin und ihren beiden Kindern stiegen also vorsichtig in die Schleuse dieses Raumes und wanderten, weiterhin vorsichtig, den Weg entlang. Wir wussten, dass es hier nebst anderen nachtaktiven Tieren Fledermäuse gab, und wir hatten grossen Respekt davor, diesen zu begegnen.

Die Mär der Fledermaus.
Die Geschichte des Vampirs als Fledermaus getarnt, hält sich hartnäckig. Als ich ein Teenager war, erzählte mir zudem ein Verehrer, der mit mir einen Ausflug zu Fledermäusen in einem Dachstock machte, dass Fledermäuse in den Haaren hängen bleiben. Ob letzteres stimmt oder nicht, weiss ich bis heute nicht. Aber der Gedanke daran poppt sofort auf, sobald ich eine Fledermaus sehe oder höre. Die Panik wird umso grösser, wenn es sich um ein ganzes Rudel in einem engen Tunnel handelt. Und natürlich erzählte ich von meinen Bedenken, kurz bevor wir das Nocturama betraten. Und dann passierte es…

Mann, waren wir laut!
Der Nervenkitzel stieg, als wir die ganze Halle durchquerten und auf keine Fledermaus weit und breit stiessen. Schon hatten wir es aufgegeben, einer solchen zu begegnen, als wir in der tunnelartigen Ausgangsschleuse auf ein ganzes Rudel Fledermäuse trafen. Die Fledermäuse orteten uns und stiessen die ersten Rufe aus, vor Schreck schrien wir alle zurück, die Fledermäuse riefen mehr und mehr, da wir ja näher und näher kamen, und unser Schreien steigerte sich ebenfalls in ein ohrenbetäubendes Crescendo. Eindrücklich, wie die Fledermäuse an uns in diesem sehr engen Tunnel vorbeizischten. Als ich zurückblickte, versteckten sich alle Kinder inklusive meiner Freundin schreiend hinter mir, was bei uns unweigerlich einen Lachanfall auslöste, denn nun war der Spuck auch schon wieder vorbei. Die Fledermäuse waren im Dunkeln verschwunden und man hörte nur noch unser schallendes Gelächter. Die Kinder, mit Adrenalin vollgepumpt und völlig ausser sich, waren danach kaum zu bremsen, und wir waren froh, dass es draussen einen grossen Spielplatz gab, auf dem sie sich austoben und zur Ruhe kommen konnten.  Jedesmal, wenn das Wort «Fledermaus» genannt wird, denken wir alle unweigerlich an diese urkomische, für uns Erwachsene auch etwas peinliche Situation zurück und schwören uns, dass wir nie wieder dorthin zurückkehren. Wer sie aber noch nie erlebt hat, sollte diese einmalige Gelegenheit unbedingt wahrnehmen, denn die Faszination zu diesem aussergewöhnlichen Tier ist auch bei uns hängengeblieben, auch wenn wir die grössten Susis aller Zeiten sind und der Wärter nur den Kopf schüttelte, nachdem er uns verwarnt hatte und uns danach systematisch aus dem Weg ging. Der Weg dorthin hat sich mehr als gelohnt, denn nicht nur weiss ich nun, wie es sich anfühlt, sich als Beschützerin zu fühlen, sondern auch was es für befreiende Gefühle auslöst, nachdem man so richtig unkontrolliert losschreien kann aus Furcht von etwas, das man nicht kennt.

Meine Tipps

Papiliorama: Von Bern aus kann man bequem die S-Bahn bis zur Haltestelle «Kerzers Papiliorama» nehmen; von da aus sind es nur noch wenige Schritte bis zum Papiliorama Freizeitgelände. Achtung: nicht beim Bahnhof Kersers aussteigen! Wir haben dies leider nicht berücksichtigt und waren zu rund 45 Minuten Fussmarsch der Gleise entlang verdammt, weil der nächste Zug ewig auf sich warten liess.

Da man den ganzen Tag im Papiliorama verweilen kann – vorallem wenn man sich aufgrund des Wetters auch draussen aufhalten kann – haben wir, von Zürich aus kommend, am Vorabend in Bern übernachtet. Dank einem guten Booking-Angebot stiegen wir im Hotel National ab, einem zentral gelegenen Hotel mit freundlichem Personal und anständigen Zimmern. Durchaus empfehlenswert.

Auch zu empfehlen in Bern, wenn man mit Kindern unterwegs ist, ist ein Besuch im Museum für Kommunikation. Hier lernen die Kinder, was ein Fax ist und wie ein «normales» Telefon mit Wählscheibe, wie wir es kannten, aussieht. Nebst dem ersten Computergame, das man vor Ort spielen kann, der Erklärung des Darknets oder dem Produzieren eigener Briefmarken taucht man in eine interaktive Welt der Kommunikation ein, in der man ebenfalls den ganzen Tag verweilen könnte. Die Kinder jedenfalls, bringt man fast nicht mehr raus – und das soll was heissen.

Das Projekt Batvision (hoffentlich bald erlebbar in einem Museum oder so): Das Projekt erforscht die Beziehung zwischen Mensch und Tier im Kontext ihrer Wahrnehmung mittels VR, da man sich seiner subjektiven Wahrnehmung erst bewusst wird, wenn man etwas am eigenen Leib erfährt. Das Projekt ist eine Zusammenarbeit zwischen dem Studiengang Industrial Design der Zürcher Hochschule der Künste und dem Immersive Arts Space Zürich.

Und wer die Kindergeschichte «Der kleine Vampir» noch nicht kennt, sollte dieses Büchlein unbedingt einem Kind schenken, denn es ist eine rührende Story, bei dem einem die zur Fledermaus werdenden Vampire ans Herz wachsen.

In einem 200 Seelen Dorf im Berner Oberland aufgewachsen, zog es mich immer schon in die weite Welt hinaus. Gearbeitet habe ich dann 21 Monate in New Delhi, einige Monate in Wien, Stuttgart und Genf, war on and off immer wieder in der Schweizer Hauptstadt zuhause und weilte auch länger in Texas und Paris. Dass ich nun aber doch schon fast die Hälfte meines Lebens in Zürich verbringe, hätte ich als junges Mädchen nie für möglich gehalten, denn ich fand Zürcher insgesamt zu arrogant und gleichzeitig zu provinziell. In Zürich aber habe ich mich selbständig gemacht, gründete die unterschiedlichsten Firmen, konnte meine Leidenschaft zum Beruf machen, wurde Mutter, war einmal im Scheidungsgericht und mehrmals im Fernsehen. Ich habe Fails initiiert und Erfolgreiches, gab als Nicht-Akademikerin Unterricht an Fachhochschulen und bin mittlerweile Profi im Umziehen, denn ich tat dies ganze 12mal (privat und geschäftlich) in dieser Stadt. Ich bin eine Optimistin und mag es nicht, wenn Menschen nörgeln und nichts dagegen tun. Mit Literatur und der ironischen Namensgebung «swissandfamous» hat mein unabhängiges Unternehmertum angefangen. Danach folgte die Crowd-Realität mit wemakeit und emotional Storytelling mit letsmuseeum. Dazwischen gab es noch so einiges das ich angepackt, initiert und umgesetzt habe. Mal erfolgreich, mal weniger. Ich bin gespannt, was noch so alles auf mich wartet. Ich bin ja erst 48, da steht einem die Welt noch offen, oder? Das sagen jedenfalls alle Ü50er, und die sollten es ja wissen.

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