Langsam im Herbst

Langsam im Herbst

Meine Lieblingsjahreszeit ist eindeutig der Herbst. Der Winter ist schon auch schön, dauert aber mit vier bis fünf Monaten viel zu lange. Der Sommer ist gefüllt mit Heuen und zu wenig mit Strand und viel zu rasch vorbei und der Frühling – der existiert hier gar nicht. Nach dem Winter wird’s jeweils direkt Sommer oder wenn’s schlecht läuft, manchmal auch grad Herbst.

Der Herbst beginnt im September noch zurückhaltend, so farbenmässig. Dafür mit vielen reifen Früchten: Äpfel, Zwetschgen, Artischocken oder Kartoffeln, Pilze natürlich auch und allerlei Beeren. Im Oktober aber liefert der Herbst ein Feuerwerk an Farben. Das beginnt mit den glühenden Berghängen. Glühen tun sie deshalb, weil sich die vielen, vielen, kleinen Blättchen der Heidel- und Preiselbeerstauden oder diejenigen der Alpenrosen orange oder rot verfärben, was dann von weit weg und im Sonnenlicht angeschaut, aussieht wie wenn sie glühen würden. Weiter geht’s mit den Wiesen, die sich verfärben und am Schluss dann noch die Lärchen – golden.

Kühe zurück – auf der Weide

Am Herbst mag ich auch, dass die Kühe Mitte September zwar wieder von der Alp zurückkommen und ich sie wieder melken kann oder muss, sich der Aufwand aber doch in Grenzen hält. Denn tagsüber und in der Nacht sind die Kühe auf der Weide. Ich treibe sie lediglich zum Melken morgens und abends in den Stall. Wobei treiben das total falsche Wort ist. Vielmehr spazieren wir gemeinsam gemächlich in den Stall oder vom Stall zur Wiese. Die erste Wiese, die ich beweide, liegt zu Fuss gut zwanzig Minuten vom Stall entfernt. Verspüren die Kühe keine grosse Lust auf diesen Spaziergang, können aus den zwanzig auch mal dreissig Minuten werden.

Da wir im Herbst immer zuerst dieselbe Weide besuchen, kennen die Kühe den Weg auswendig: Die Strasse beim Stall runter, bei der Kirche scharf links, weiter auf der Dorfstrasse Richtung Umfahrungsstrasse, kurz vor dieser wieder rechts auf den Feldweg bis zur Weide. Und sie gehorchen tatsächlich ausnehmend gut, nur Kira macht ab und an ein «Gspässli» und läuft dann halt mal geradeaus anstatt abzubiegen. Am Morgen spaziere ich mit meinen Damen quasi in die aufgehende Sonne hinein und geniesse die Licht- und manchmal leichten Nebelstimmungen. Am Abend geht’s Richtung Sonnenuntergang, der die ganze Herde in güldenes Licht taucht.

 

Langsamverkehr dank Kühen

Fast am besten gefällt es mir aber auf der Dorfstrasse. Die Kühe verteilen sich gleichmässig über die gesamte Breite und trotten gemütlich einher. Kommt ein Auto entgegen oder eines von hinten, «tampi» scheinen meine Grauen zu denken und trotten einfach weiter. Darauf zücken Menschen im Auto entweder ihr Handy, um das Ganze zu fotografieren oder sie gucken leicht säuerlich, weil sie ja pressiert sind und nun warten müssen. Doch uns ist’s egal: Denn so geht Langsamverkehr auf dem Dorf.

Ich bin Bauer – aber nicht nur, Journalist auch – aber nicht nur, Beizer manchmal, Familienvater immer und Ornithologe zum Teil. Ich bin vieles, weil ich die Vielfalt liebe und wohl deshalb hauptsächlich Bauer bin. Denn beim Bauern ist die Vielfalt integrativer Bestandteil. Mit fortschreitender Jahreszeit ändern die Arbeiten und werden meist auch mehr.
Ich verarbeite meine Produkte selber, mache Käse nach verschiedenen Rezepten, Würste ebenfalls. Ich pflanze die höchstgelegenen Artischocken an, kultiviere Kartoffeln rarer Sorten, habe auch schon Safran gepflanzt oder Erdbeeren. Einiges davon auch wieder aufgegeben, beim Safran überleg ich mir aber einen nächsten Anlauf.
Wirtschaftsingenieur war ich auch einmal. Aber zugegeben, das ist lange her. Und meine Freunde sagen einfach: Ich bin ein Bauer, der blufft.

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