Bauen im Kopf.

Heimat schaffen

Beruflich auf Zürich angewiesen, galt es bald auch einmal, den eigenen Wohnraum zu einem bezahlbaren Preis zu finden. Als ich Mitte der 90er-Jahre meine erste Wohnung suchte, musste ich mich – trotz sechs Monaten Kündigungsfrist und unendlich vielen Wohnungsbesichtigungen – zuerst einmal drei Monate bei einem Freund einmieten, der glücklicherweise gerade für längere Zeit in Australien weilte. Aber für mich war klar, dass ich nicht einfach in irgendeine bezahlbare Wohnung einziehen konnte, sondern dass ich an diesem neuen Ort eine Heimat finden musste. Ein Anspruchsdenken, dass zwar mein Leben verkomplizierte, aber auch immer dafür sorgte, dass ich letztlich ein Zuhause hatte, in dem ich mich zu Hause fühlte. Angekommen. Daheim.

Mit über 50 – und bereits 25 Jahren in Zürich – darf ich mit meinem Mann in einer Wohnung leben, die keine Wünsche offen lässt. Und irgendwie kommt man mit den Jahren zur Einsicht, dass man einen schönen Ort nicht besitzen muss. Also bezahlen wir seit Jahren Miete und trotzen den Ratschlägen einiger Freunde, welche meinen, wir hätten mit dem Geld schon lange etwas kaufen können. Ja, das stimmt. Aber stimmt das auch wirklich?

Lebensqualität vs. Besitzqualität

Es ist ja nicht so, dass mein Traum vom eigenen schönen Haus sich einfach verflüchtigt hätte. Dafür ist Wohnen schon viel zu lange ein zentrales Thema in unserem Leben. Und es vergeht bestimmt kein Tag, in dem ich nicht an die Möglichkeit denke, diesen Traum zu erfüllen. Doch was würde es dazu brauchen? Sehr viel Geld und unheimlich viele Kompromisse. Und da wir das Erstere nicht haben und das Letztere für mich eine kaum erträgliche Perspektive darstellen würde, wird aus dem Traumhaus sehr schnell ein Luftschloss. Zumindest für uns, die Zürich lieben und diesen Ort, wo wir uns kennengelernt haben und unsere Freunde wissen, noch nicht verlassen wollen. Wir lassen uns hier die Lebensqualität etwas kosten, sind dafür aber keine Immobilienbesitzer.

Aber wir sind uns auch bewusst, dass wir diese wunderbare Wohnung vielleicht eines Tages eben doch verlassen müssen, sollte das gemeinsame Einkommen für die Miete nicht mehr zu stemmen sein. Es sei denn, wir treten ein ungeahntes Erbe an, gewinnen im Lotto oder mein Start-up geht durch die Decke. Wunderbare Aussichten, herrliche Denkansätze, doch leider eher unwahrscheinlich.

Wäre es da nicht klüger, in weiser Voraussicht doch an eine Vorsorge zu denken, die über einen Fondssparplan hinausgeht und uns zu Wohneigentümern macht? Zwar nicht mehr in der Stadt, sondern in der Agglo (absolutes No-go für uns) oder weit draussen auf dem Land (als Appenzeller und Engadiner kommen wir aus wunderbaren Gegenden, die wir durchaus zu schätzen wissen)? Warum sich nicht jetzt bescheiden, damit man sich in der Zukunft, im Alter dann, in den wirklich eigenen vier Wänden in existenzieller Sicherheit wähnen kann?

Wir träumen anders

Wenn wir mit dem Zug oder dem Auto durch die Schweiz fahren, dann sehen wir, was Besitz von Immobilien für Auswüchse hat. Sei es in Form von Copy-Paste-Klötzchen, welche in Reih und Glied an den Peripherien von Dörfern aufgestellt wurden. Sei es als Steueroptimierung mit verglasten Balkonen und akkurat frisierten Buchsbäumchen entlang der Gold- und der Pfnüselküste. Oder sei es als Stockwerkeigentümer von grosszügigen Wohnungen mit supergrossen Loggias, von denen man gleich an die nächste Fassade seiner Nachbarn blicken kann. Unser Traum vom Wohnen dreht sich um das Wohnen selbst und nicht ums Besitzen. Unser Traum vom Eigenheim ist in Zürich unerschwinglich und auf dem Land noch nicht gefunden. Unseren Traum vom idealen Zuhause leben wir jetzt. Doch was bleibt: Wir bauen jeden Tag an unserem Wohntraum; in unserem Kopf, als Sehnsuchtsort und als Bestätigung dafür, dass man nicht alles haben kann oder haben muss.

Fragebogen für den Wohntraum:

Finden Sie mit diesem unvollständigen und absolut unwissenschaftlichen Fragebogen heraus, ob Sie tatsächlich zur Spezies der Immobilienbesitzer und Wohneigentümer gehören.

 

  1. Welche Nachbarn wünschen Sie sich?
  2. Und für wie lange?
  3. Was bedeutet Ihnen Besitz?
  4. Was wollen Sie sehen, wenn Sie aus dem Fenster blicken?
  5. Wie wollen Sie nach Hause kommen; atmosphärisch betrachtet?
  6. Sparen Sie für die Zukunft oder investieren Sie lieber ins Heute?
  7. Glauben Sie, ein Eigenheim gibt Ihnen Sicherheit?
  8. Lohnt es sich, aus Gründen der Steueroptimierung an einen Ort zu ziehen, der eigentlich schrecklich ist?
  9. Haben Sie das Geld, um Ihren Traum verwirklichen zu können?
  10. Oder reicht es nur für ein Träumchen?