Betrachtungen übers Betrachten

Dennoch, während ich hier vor diesem wunderbaren Werk stehe, kommt mir nichts anderes als Barock in den Sinn. Eine Assoziation, ein Gefühl, das mir hier viel angebrachter zu sein scheint als wenn ich vor einem Rubens stünde. Und auch wenn ich zugebenermassen etwas befangen bin, wenn es ums Barocke geht, komm ich nicht umhin, dieser Empfindung Raum zu geben. Dabei kommen mir sofort Bilder von Sofia Coppolas Film über Marie-Antoinette und die daraus resultierende Fotoserie von Annie Leibovitz für die Vogue in den Sinn. Dieselbe Ästhetik, der gleiche sorgsame Umgang mit den Farben, diese auf die Spitze getriebene Leichtigkeit des Seins, welche schliesslich mit einer blutigen Revolution oder einer Ermordung zu einem grossen Finale finden. Und wenn man vom Bildhaften ins Akustische dringt, öffnen sich da Klänge von Bach, Lully und Händel – ja die Versuchung, an die Feuerwerksmusik zu denken schwebt durchaus als Damoklesschwert über meinem Haupt, auch wenn ich versuche dieses Klischee zu verdrängen. Aber Assoziation ist nun einmal Assoziation. Und schon wird das barocke Element zur Filmmusik und zu cineastischen Titelsequenzen eines Martin Scorsese (The Age of Innocence) oder eines George Cukor (My Fair Lady), wo Blumen als Feuerwerke in Slow-Motion inszeniert werden und eben auch irgendwie barock in Erscheinung treten, was mich jetzt auch noch viel näher an Georgia O’Keeffe bringt, die…ups, überhaupt nicht barock ist.

 

 

Bin ich jetzt in der stilistischen Sackgasse gelandet? Habe ich mich so in der Kunstgeschichte verrannt, dass ich nicht mehr weiss, wo Twombly einen Rubens versteckt hat? Oder habe ich einfach als Kind zu wenig Ohrfeigen gekriegt? Nun, das ist ja das Schöne an diesen Museumsbesuchen: wenn man hineingeht, weiss man nie, ob man mit den Bildern im Kopf wieder rauskommt, die man drinnen gesehen hat. Meistens habe ich eine ganz andere Ausstellung genossen als meine Begleiter. Und jedes Mal frage ich mich, wofür haben die eigentlich ihren Eintritt bezahlt?