Meine Solokarriere

Betritt man ein Restaurant allein, ist es von Vorteil, wenn man sich nicht als graues Mäuschen gebärdet, da man sonst oft ans Katzentischchen gesetzt wird. Mit einem fröhlichen, selbstbewussten – aber nicht allzu selbstgefälligen – Eindruck hingegen besteht durchaus die Chance, dass man einen Platz bei den Leuten bekommt. Sollte das nicht der Fall sein, dann schicke ich mich meistens in die Situation und setze mich an den mir zugedachten Tisch. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die grundsätzlich noch ein besseres Plätzchen im Restaurant für sich beanspruchen, sondern vertraue ganz auf die Fähigkeiten meiner Gastgeber. Es sei denn, der Tisch wäre eine Zumutung, weil sich dort die Zugluft in Windeseile zu einem Orkan entwickeln kann oder man unfreiwillig Opfer von unerwünschten Gerüchen wird. Aber dann sollte man diesen Restaurantbesuch wohl nochmals in Gänze überdenken. Und zwar gleich sofort, und nicht erst nach der Vorspeise, wenn man nicht mehr in der Verfassung ist, gutes Essen zu würdigen, weil man den Ärger über diese Fehlplatzierung in sich hineingefressen hat.

Doch wenn man sich in aller Zufriedenheit platziert fühlt, dann verspricht der Soloauftritt in einem guten Restaurant eine wahre Köstlichkeit zu werden.

Das beginnt schon mit einem Lächeln der Gastgeber, die uns unaufdringlich ein Glas Champagner, einen Haus-Apéro oder etwas Weisswein ans Herz legen wollen.

Da kann man ja praktisch nur entgegenlächeln, um schliesslich einen Gin Tonic zu bestellen, weil man sich gerade so verwegen fühlt; so allein, mit dem Tisch, den anderen Gästen und dem Lokal.

Und spätestens in diesem Augenblick ist man von der Vorfreude über den bevorstehenden Abend beinahe überwältigt. Man weiss, dass jetzt nur folgen kann, was folgen muss: lukullische Stunden als formvollendetes Ritual. Eine Abfolge gekelterter Kunst kombiniert mit raffiniert zubereiteten Speisen. Und mittendrin unsereiner als Akteur, der mit bestem Wissen und Gewissen (und hoffentlich auch mit vorzüglichen Geschmacksnerven ausgestattet!) Regie führt und das Drehbuch nie aus den Augen lässt. Indem man nach dem Weisswein zur Vorspeise (doch, doch, eine Flasche geht schon) zum Roten übergeht (selbstverständlich eine Flasche), um den Hauptgang zu ehren und sich zum Dessert ein Dreiachtel-Fläschchen Dessertwein (Sauternes oder einen Eiswein?) gönnt, damit der Weg für den Digestif ins kleine Finale schon einmal geebnet ist.

 

Mit jedem Glas und mit jedem Biss wird auch die Gesellschaft etwas bunter und fröhlicher. Und man beginnt dann in leicht transzendentem Zustand andere Menschen anzulächeln, heillos daran scheiternd, einen geistreichen Eindruck zu hinterlassen.

Aber unsereinem macht das schon seit einer halben Stunde nichts mehr aus, weil die Gastgeber nochmals ein Glas von diesem unverschämt guten Tempranillo nachschenken. Ja, es scheint offensichtlich zu sein, dass sie nicht geneigt sind, diesen Lebenskünstler und Genusshelden jetzt schon nach Hause gehen zu lassen.

Denn wie man weiss, sind gute Solisten nicht nur Vieltrinker, sondern auch Wiederholungstäter. Und wenn man als Gastgeber die Kunst beherrscht, diese Menschen für sich zu gewinnen, dann ist das meistens auch ein tatsächlicher Gewinn. Monetär bestimmt, aber manchmal auch persönlich.

Als Solist im Restaurant aufzutreten, verspricht nicht nur Genuss, sondern oft auch Freundschaften. Viele meiner Freundinnen und Freunde habe ich an Nebentischen kennengelernt. Und nicht wenige davon sassen etwas später am eigenen Esstisch zu Hause. Denn, auch wenn ich als Gast eine glanzvolle Karriere hingelegt habe, als Koch am eigenen Herd, da bin ich wirklich ein Meister.