Irgendwie habe ich dann Ferraris grundsätzlich mit von allem zu viel in Verbindung gebracht: Zu viel PS, zu viel Testosteron, zu viel Selbstüberschätzung. Das änderte erst, als ich vor drei Jahren einen Ferrari Portofino GT (rot, na klar) für einen Roadtrip für das Bordmagazin der SWISS rund um die Schweiz ausleihen durfte. Fast 1’000 Kilometer in 36 Stunden auf einer von mir selbstgewählten Route in einem Modell, das sich so gar nicht machomässig gab, sondern sich als leicht zu handelnder, komfortabler Sportwagen mit Coupécharakter entpuppte – der Spass mit den 600 PS wuchs von Kilometer zu Kilometer und ich war ein klein wenig traurig, den roten Renner wieder abliefern zu müssen.
Und jetzt der Baby-Ferrari. 2019 wurde der Ferrari F8 Tributo in Genf präsentiert. 720 PS, die eigentlich niemand jemals auf normale Strassen bringen kann. Trotzdem habe ich mich brav eingereiht in die Liste, um dieses Auto irgendwann mal als Testwagen zu bekommen, kurz vor dem Winter (ich hab ja sowas von Glück…) war es dann soweit. Baby-Ferrari wird er genannt, weil er weniger als seine Vorgänger kostet, der Neupreis lag damals bei rund 265 Tsd Franken, sozusagen der Ferrari für Anfänger. Was ich eigentlich jetzt herausfahren wollte: Ist das Auto sexy oder nicht?
Wenn sexy heisst, «ich will Dich», dann: nein. Wenn sexy allerdings aufregend und Adrenalinschub gebend heisst: vielleicht, manchmal. Zum Beispiel, wenn man die ausgeklügelten Fahrassistenzsysteme, die so einen modernen roten Renner handzahm und ein bisschen langweilig werden lassen, doch mal aushebelt, was auf glatten kurvigen Strassen durchaus vorkommen kann. Oder wenn man einfach die Macho in sich entdeckt und kurz mal das Gaspedal durchtritt, um ein vor einem gemächlich fahrendes Auto blitzschnell zu überholen. So richtig viel Adrenalin schiesst jedoch ein, wenn man mit so einem superflachen Sportwagen in ein uraltes Parkhaus hineinfährt, dessen Winkel der Auf- und Abfahrtsrampen nicht für derartige Tiefleger gebaut wurde. Man zirkuliert Zentimeter um Zentimeter, um die superleichten Karbonteile am Frontflügel nicht irgendwo aufzusetzen oder aufzureissen. Schweisstreibend ist das und dabei hatte uns der Portier des Hotels, das wir übers Wochenende angesteuert hatten (und das über keine eigene Tiefgarage verfügt!) vor der Dorfgarage gewarnt, ich aber dachte, ich kann ja Autofahren. Wir haben das Parkhaus auch überstanden, das Auto und ich, aber nur, weil mein strategisch denkender Beifahrer vor mir hergelaufen ist und jeden Rampenübergang winkelmässig überprüfte, bevor ich darüber schlich. Nicht sexy. Also diese Umstände.
Die Fahrt allerdings in dieses Bergdorf mit für Supersportwagen untauglichem Parkhaus war Spass pur. Auf leicht rutschigen Strassen, kurvig, abwechslungsreich. Das mag der Ferrari, und man hat das Gefühl, er passt sich so nach ein-, zweihundert Kilometern dem Fahrstil der Lenkerin an. Ein Auto, das man übrigens sehr schnell begreift, viele Funktionen sind motorsportmässig am Lenkrad untergebracht, da muss man sich einfach durchklicken und ausprobieren («Schalten Sie NICHT in den Race-Modus», hat der nette Mann gesagt, der mir den Ferrari übergab, das sei nur klug auf der Rennstrecke und bei diesen Strassenverhältnissen unverantwortlich. Ich gehorchte.).
Platz gibt es erstaunlicherweise in diesem Auto reichlich, der Kofferraum vorne bietet genug Platz für das Gepäck, was zwei Menschen so für einen Weekendtrip brauchen. Im Wagen selbst ist es natürlich eng, jeder sitzt in seinem eigenen Compartement, in sehr komfortablen Sportsitzen, aber man kommt schlecht zueinander, wenn Sie wissen, was ich meine. Gelegenheit für den Beifahrer, mit dem eigenen Display zu spielen, er kann dort nicht auf die Fahreigenschaften eingreifen, aber das Navi und alle Unterhaltungssysteme bedienen. Very praktisch.
Aber zurück zur Frage. Ist es sexy, 720 PS zu bewegen? Es ist ein Gefühl von Befriedigung, ja, aber im Sinne von «ich kann das Auto beherrschen». Er macht es einem ziemlich leicht, Kilometer für Kilometer mehr. Er soll laut Fachkollegen den besten V8-Motor haben, den Ferrari je gebaut hat, etwas, was ich nicht beurteilen kann, weil ich von der Technik kaum etwas richtig verstehe. Er ist klein, kleiner als seine Vorgänger, kompakt, fast schon bullig aus manchen Blickwinkeln.
Bei mir ist der Funke, warum Ferrari fahren Spass macht, übergesprungen, aber es würde mir nie in den Sinn kommen, so ein Auto haben zu wollen. Das Image ist sexy, in dieser Saison wird es alte Höhepunkte zurückerobern, wenn die Siegesserie von Ferrari in der Formel 1 anhalten sollte. Denn das ist das eigentlich nachvollziehbare an diesen Autos: Sie wurden immer aus Leidenschaft für die Technik, für den Motor, für das Racing gebaut. Unzählige Rennfahrerlegenden haben Siege in den Autos geholt, viele haben die Rennerei auch mit dem Tod in so einem Boliden bezahlt. Was nicht am Auto lag wohlgemerkt. Die Aura des Sieges, der Risiken, der Helden hängt immer noch über dem Baby mit dem Pferdchen aus Maranello. Und für viele ist genau diese Kombination einfach sexy.
Und noch eine sympathische Anekdote, die irgendwie Jö-Charakter hat. Beim Abholen des Ferrari F8 Tributo hab ich beiläufig bemerkt, dass es eigentlich schade ist, dass es dieses Rot von Ferrari nicht als Nagellack gibt (wobei das Dior Rouge 999, das traditionelle, das kommt dem verdammt nahe!). Als ich den Wagen zurückbrachte und die Formalitäten erledigt hatte, verschwand derselbe Typ, der mir den Wagen ausgehändigt hatte, backstage des Autohauses und kam freudestrahlend mit einem kleinen Fläschchen roten Ferrari-Autolacks zurück. Sie hätten es ausprobiert, er und seine – männlichen – Kollegen. Auf den Fussnägeln. Es würde den Nägeln überhaupt nichts ausmachen. Ich werde meine brüchigen doofen Nägel sicher nicht mit dem Autolack traktieren, aber den Effort, den finde ich einfach nur grande. Grazie, Ferrari.