MEIN ICH & DAS DU

MEIN ICH & DAS DU

ERKENNE DICH MAL SELBST
Wann fing das eigentlich an mit dem Duzen?
Dieses Duzen in Cafés, im Nagelstudio, in Geschäften aller Art?
Mich verwirrt dieses Phänomen und noch mehr verwirrt mich meine Reaktion darauf.
Ich bin tatsächlich jedesmal irritiert, wenn ich von unbekannten jungen Frauen, die kaum älter sind als meine Tochter, oder unbekannten jungen Männern, deren Mütter möglicherweise jünger sind als ich, geduzt werde.
Immer wieder finde ich mich in solchen Situationen wieder und frage mich dann ratlos und mit einem Gefühl von Unsouveränität, ab wann ich denn gerne gesiezt werden möchte.
Oder vielleicht eher:
Seit wann ich denn gerne hätte gesietzt werden wollen?
Peinlich – das sind also deine Probleme, das ist sowas von unreif, schimpft eine innere Stimme.
Sei still, du blödes ÜberIch, quengle ich zurück, ich will auch mit Ü50 unreif sein dürfen, darauf bestehe ich!
Was genau ist es dann, frage ich mich.
Bin ich so rückwärtsgewandt, so bürgerlich, dass ich die Form des Siezens brauche?
Respekt macht sich nicht daran fest, ob mich jemand siezt oder duzt – klar, das würde ich jederzeit blanko unterschreiben.
«Chume nid druus, chume chume nid druus» singt Steffe la Cheffe laut in meinem Kopf.
Und doch… ein merkwürdiges Gefühl macht sich jedesmal in mir breit, wenn ich wiedermal gefragt werde: «Wotsch medium oder grande» oder «Bruuchsch än Sack?»

TÄGLICH BROT
Bei mir im Quartier gibt es einen Feinkostladen – alles lokal & saisonal.
Die jungen Verkäuferinnen wechseln oft.
Vor einer Weile bediente mich ein neues, frisches und sehr junges Gesicht und duzte mich freundlich.
Blame it to the Tagesdisposition, blame it to the moon, aber ich hörte mich sagen:
«Entschuldigung, ich muss was fragen. Ich bin verunsichert. Habe ich irgendwas verpasst oder nicht kapiert. Irgendeinen Code, eine Spielregel oder ist es einfach Mode und ich habe es nicht gemerkt?
Also, wie kommt es, dass Sie mich duzen, obwohl Sie mich zum ersten Mal sehen und ich Ihre Mutter sein könnte?»
Die junge Frau kam total ins Rotieren, entschuldigte sich mehrfach und ich – ich schämte mich.
Vielleicht muss ich noch erwähnen, dass ich weder besonders frisch aussah an dem Tag, noch geschminkt war und kein Mü jünger wirkte, als ich tatsächlich bin, nämlich bald 52.
Beschämt verliess ich den Laden, froh, dass meine Teenagertochter das nicht miterleben musste.
Was sie gesagt hätte?
Mit Sicherheit sowas wie:
«Mama, du bist so peinlich und so Nineties.»

LA VIE EN ROSE
Die Franzosen haben die wunderbare Form des Siezens mit Vornamen – daran werde ich beim nächsten Kauf eines Croissants denken: Comment allez-vous, Rebekka?

Ich bin in Bern aufgewachsen, meine Eltern waren Basler. Das heisst, mein Vater war Basler, meine Mutter stammte aus einem italienischen Elternhaus in Basel – eine grosse Familie mit multikulturellem, musischem Import/Export-Hintergrund.
Kindheit und 80er Jahre Jugend in Bern – die Freundschaften von damals sind geblieben.
Mit zwanzig ging ich in den hohen Norden nach Hamburg auf die Schauspielakademie.
Danach Theaterleben mit allem Drum&Dran in verschiedenen deutschen Städten.
2001 kehrte ich in die Schweiz zurück und lebe seither in Zürich.
Heimat sind mir die Menschen meines Lebens.
Ich spiele Theater, inszeniere, moderiere, spreche, singe, organisiere kulturelle Salons und trete mit meinem Soloabend "Tumulte blonde - ein fast klassischer Diseusenabend" auf.
Ich lebe in einer langjährigen Partnerschaft und habe eine 13-jährige Tochter.
Pläne schmiede ich selten und Entscheidungen treffe ich schnell.
Mein Leben ist immer für eine Überraschung gut.

Philipp Baur sagt:

Halloa Gray

Sie oder Du für mich keine Frage. Das ewige Du nervt. Bin seit 20 Jahren ü50 also zu den Kinderschuhen raus.
Alle Gray`s sollen gesiezt werden Punkt. Bisschen mehr Respekt ist angesagt, ihr Dumpfbacken!
Der Flanör

helen sagt:

Lustiges Thema liebe Rebekka und sehr unterhaltsam geschrieben.
Bei mir läufts aber genau umgekehrt ab ; )) ich erschrecke jedesmal, wenn mich jemand siezt.
So sind die Wahrnehmungen verschieden …
Kusskuss Helen

Rebekka sagt:

Word, liebe Kathrin, word!
…. und danke für den charmanten Hinweis…..
bis bald
Rebekka

Kathrin sagt:

Grossartig, liebe Rebekka! Kenne ich gut, habe aber entschieden, das „Du“ von Unbekannten immer und überall als Kompliment anzunehmen. Glaub mir, es gibt sicher 52- (bei mir bald 54-) jährige, denen das NIE passiert! 😉

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