Warte-
schlaufen

Warteschlaufen

Wäre man ein Vogel, könnte man sich gemütlich von der Thermik treiben und tragen lassen. Der Wind würde als launisches Luftkissen mit unserem Gefieder spielen und die Sonne einen durchaus heiteren Tag versprechen. Und mit etwas Glück befände man sich auch in der Nahrungskette nicht ganz unten, sondern könnte die natürlichen Feinde an fünf Federn abzählen. Ja, so stelle ich mir eine Warteschlaufe vor, die sich gut und gerne aushalten lässt.

Als freischaffender Texter hingegen haben Warteschlaufen für mich einen ganz anderen Charakter. Denn mit etwas Glück sind diese nur etwas sehr Seltenes. Als umtriebiger Schreiberling weiss man ja immer etwas in die Tastatur zu klopfen und selbst aus der kleinsten Kleinigkeit noch ein Projekt zu machen. Wenn es nicht ein Auftrag ist, dann ist es eben Eigenwerbung. Die Vermarktung seiner selbst. Wunderbar fabuliert, geistreich gedacht und mit feinem Humor garniert. Tja, wir können so was, weil wir davon leben müssen. Das Schreiben ist nicht nur unser Verdienst, sondern auch unsere Freude. Wir können uns darin ausleben und entfalten. Und manchmal – wenn wir uns auf der Höhe unseres Könnens wähnen – fühlen wir uns wie Schmetterlinge. Leicht, bunt und geliebt.

Oft wird unserer Gilde vorgeworfen, wir wären Meister der Täuschung und würden Begehrlichkeiten schaffen, wo vorher ödes Eiland war. Andere wiederum finden uns eine sehr interessante Gattung Mensch mit einem kreativen Beruf, und man beneidet uns darum, dass wir immer wieder Ideen auf Abruf generieren können. Wieder andere sind der Ansicht, dass unsere narzisstische Veranlagungen wohl die Quelle unserer Inspiration sei und das eigene Ego der Leitstern auf dem Weg zur Erkenntnis. Eine Erkenntnis notabene, welche uns als unbequemes Erweckungsereignis auf die eigene Nichtigkeit zurückwerfen würde. Oder warum sonst würde man früher oder später als Werberin oder Werber in anderen Berufsfeldern nach Sinnhaftigkeit suchen? Nun gut, ich kenne in meinem Umfeld Journalisten, Lehrer, Banker, Pharmaspezialisten und viele andere beiden Geschlechts, die ihrerseits ebenfalls nach mehr Sinn im Arbeiten und Sein suchen. Ich denke, dass sich in den Hamsterrädern dieser Welt viele Geschöpfe Gottes tummeln. In einer Warteschlaufe, in der man sich um sich selbst dreht.

Wenn man als Freelancer manchmal über Wochen auf Aufträge wartet, weiss man, dass diese Warteschlaufen sich nicht immer so leicht wegschreiben oder davonbloggen lassen. Irgendwann wird es nicht nur zu einer monetären Frage, sondern auch zu einer mentalen Frage, die beide das erfolgsverwöhnte Ego zu strapazieren vermögen. Man fühlt sich verschmäht. Und selbst die Tröstungen der Freundinnen und Freunde, es würde bestimmt auch wieder aufwärts gehen, sind dann eben nur kleiner Trost. Zu sehr ist man von seiner Güte und seinem Können überzeugt. Zu lähmend ist die Angst, dass man sich vielleicht selbst auf ein ödes Eiland hinausgerudert hat. Vor allem aber ist es die Furcht davor, die liebgewonnene Freiheit der Selbständigkeit wieder zu verlieren und in ein Gefüge zurückkatapultiert zu werden, dem man sich für immer entronnen glaubte.

In einem solchen Moment braucht es Durchhaltevermögen und Mut. Mut, die Situation anzunehmen und mit den damit einhergehenden Gefühlen und Ängsten zu haushalten. Es lohnt sich nicht, die perfekte Fassade einer makellosen Karriere aufrechterhalten zu wollen. Versagensängste, sofern man sich von ihnen nicht lähmen lässt, sind oft der Antrieb, um Veränderungen vorzunehmen. Warteschlaufen haben einen Anfang. Und sie haben ein Ende. Warteschlaufen bieten die Möglichkeit, uns den richtigen Fragen zu stellen. Und auch wenn man das alles zu reflektieren und einzuordnen weiss, willkommen ist diese Situation eigentlich nie. Denn man möchte gebraucht werden. Man möchte mit kleinen und grossen Erfolgen abheben und fliegen können. Man will sich wie einen Vogel fühlen, der sich nicht alleine auf die Thermik verlässt, sondern seine Flugkünste auch dann unter Beweis stellt, wenn es die Witterung nicht so gut meint. Denn wir sind sturmerprobt.

Es ist nicht einfach, als zweites von fünf Kindern aufzuwachsen. Und dann auch noch in einer Familie, in der die Eltern im eigenen Betrieb fast rund um die Uhr beschäftigt sind. Denn Vater und Mutter führten ein Restaurant mit einer Metzgerei, wo sie von morgens um 8 Uhr bis oft weit über Mitternacht auf den Beinen waren. Ja, meine Eltern wussten, was arbeiten bedeutet. Und ich bin ihr Sohn.

Im appenzellischen Trogen aufgewachsen, bin ich von der Hügellandschaft und dem barocken Charakter meines Heimatdorfes schon von klein auf geprägt worden. Die Paläste der Zellweger-Dynastie, die wie Zuckerwürfel um den Dorfplatz verteilt sind, und die Hanglage des Dorfes strahlten für mich schon immer eine Weltoffenheit aus, die ich mit Kühnheit und viel Fantasie erobern wollte.

Mein Eroberungsfeldzug hat mich zwar nur bis nach Zürich gebracht, doch mit der Sprache bin ich schon durch alle Jahrhunderte und Kontinente mäandert und habe Geschichten gefunden und erfunden. Heute arbeite ich als selbständiger Texter für Werbung, Editorial, Private und Unternehmen.

Zudem verbinde ich mit meinem Textil-Label «Cushion Library» Design mit Storytelling in Form von Kissengeschichten aus 100% Seide, gefüllt mit Daunen und Poesie.

Und ich freu mich sehr, meine Erzählungen und Erfahrungen hier mit Ihnen zu teilen.

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